Justiz und Inneres
Ratssitzung

Rat „Justiz und Inneres“ – Félix Braz bedauert den Widerstand Polens und Ungarns bei einer Vereinbarung über den ehelichen Güterstand und die Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften

braz-jai-151203Die Justizminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) fanden sich am 3. Dezember 2015 unter dem Vorsitz von Justizminister Félix Braz zum ersten Teil der Sitzung des Rates „Justiz und Inneres“ in Brüssel ein. Insbesondere konnten die Teilnehmer eine „grundsätzliche Einigung“ hinsichtlich des Verordnungsentwurfs über eine Europäische Staatsanwaltschaft erzielen. Eine Einigung über die Verordnung über den ehelichen Güterstand und die Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften ist dagegen nicht gelungen. Außerdem wurde die politische Einigung über eine Verordnung zur Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden in der EU, die im Trilog zustande kam, bestätigt.

Ehelicher Güterstand und Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften

Der Rat gelangte zu keiner politischen Einigung über die beiden Kompromissvorschläge hinsichtlich der Verordnungen des Rates über Zuständigkeit, anwendbares Recht, Umsetzung und Anerkennung von Entscheidungen betreffs des ehelichen Güterstands einerseits und der Entscheidungen hinsichtlich der Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften andererseits.

Zur Erinnerung: In diesen beiden Verordnungen geht es insbesondere darum, den gerichtlichen Zuständigkeitsbereich und das anwendbare Recht beim ehelichen Güterstand und den Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften mit grenzüberschreitendem Element zu bestimmen und den freien Verkehr von gerichtlichen Entscheidungen in diesen Fragen sicherzustellen.

Zu diesem Thema hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag im März 2011 vorgelegt. Das Parlament hatte sich im September 2013 hierzu geäußert. Letzteres war um Stellungnahme im Rahmen des besonderen Gesetzgebungsverfahrens, bei dem mit Einstimmigkeit entschieden wird, gebeten worden. Im November 2015 legte der luxemburgische Ratsvorsitz den nationalen Delegationen Kompromissvorschläge zu den beiden Texten mit dem Ziel vor, Einstimmigkeit zu erzielen.

„Diese beiden Vorschläge bieten deutliche Vorteile für unsere Bürgerinnen und Bürger, denn sie bieten eine größere Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für die Planung ihrer Vermögensverhältnisse“, sagte Félix Braz bei der Pressekonferenz nach der Sitzung und fügte hinzu, es sei „wesentlich, für internationale Paare innerhalb der Europäischen Union eine Anerkennung ihrer Rechte zu erzielen“.

Der Minister habe allerdings „eine große Unterstützung für die vom luxemburgischen Ratsvorsitz vorgelegten, ausgewogenen Kompromisstexte“ erlebt und „während der Arbeiten von zahlreichen Mitgliedstaaten konstruktive Mitarbeit“ erfahren. Er „bedauerte besonders“ die Weigerung Polens und Ungarns, die deren Annahme verhinderte. „Die polnische und die ungarische Haltung führten doch zu einem gewissen Unverständnis und großer Enttäuschung unter einigen meiner Kollegen“ betonte der luxemburgische Minister.

Ihm zufolge habe die Debatte jedoch auch erlaubt, „einen Anstoß für die zukünftige Bearbeitung dieser beiden Themen zu geben“. Der Minister stellte fest, dass „viele Mitgliedstaaten bereits jetzt ihre Bereitschaft bekundet haben, einen Weg der verstärkten Zusammenarbeit einzuschlagen“, der von den Verträgen vorgesehen ist, um Fortschritte bei den Themen zu erzielen, die keine Einstimmigkeit im Rat finden. Die Kommission unterstütze diese Lösung. Diese stärkere Zusammenarbeit, für die sich der Minister die Mitwirkung möglichst vieler Staaten erhofft, wird auf Grundlage der letzten Kompromisstexte des Ratsvorsitzes erfolgen, fügte er hinzu.

Der Minister erinnerte außerdem daran, dass diese beiden Texte weiterhin als Paket behandelt werden. „In der Tat können wir keine unterschiedliche Behandlung von verheirateten Paaren und Paaren, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, hinnehmen.“

Europäische Staatsanwaltschaft und PIF-Richtlinie

Die Minister erörterten ferner einige Bestimmungen des Verordnungsentwurfs über die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft, ein Thema, das „viel Ausdauer erfordert“, wie Félix Braz während der Pressekonferenz feststellte.

Es sei daran erinnert, dass die Verordnung eine Europäische Staatsanwaltschaft einrichten soll, die die Aufgabe haben wird, die Täter von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union strafrechtlich zu untersuchen, zu verfolgen und Anklage gegen sie zu erheben.

Hier sei den Ministern „eine grundsätzliche Einigung in einem äußerst schwierigen Teil der Verordnung gelungen, namentlich die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und die Modalitäten der Ausübung dieser Zuständigkeit“, so Félix Braz.

In demselben Zusammenhang berichtete der Ratsvorsitz den Ministern über den Stand der Dinge bei den Arbeiten an der Richtlinie zum Schutz der finanziellen Interessen der Union (PIF), die unter anderem infolge des sogenannten „Taricco“-Urteils des EuGH vom 8. September 2015 den konkreten Kompetenzbereich der Europäischen Staatsanwaltschaft festlegt und eine Verbindung zwischen schwerem Mehrwertsteuerbetrug und der Interessengefährdung der EU herstellt. „Eine gewisse Offenheit gegenüber der Einbeziehung der Mehrwertsteuer in den Zuständigkeitsbereich des Instruments ist spürbar“, bemerkte Félix Braz zu diesem Thema und die Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Věra Jourová , bestand auf der Notwendigkeit, dass die Mehrwertsteuer als Einkommensquelle der EU zu schützen sei.

Freier Verkehr öffentlicher Urkunden

Félix Braz zeigte sich „sehr zufrieden“ darüber, dass der Rat die politische Einigung bestätigte, die im Trilog mit dem Ratsvorsitz, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission am 13. Oktober 2015 über eine Verordnung zur Förderung des freien Personenverkehrs durch eine Vereinfachung der Bedingungen für die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden in der EU erzielt wurde. Es sei daran erinnert, dass der Ausschuss der Ständigen Vertreter das gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beschlossene Kompromisspaket bereits am 21. Oktober 2015 gebilligt hatte.

„Dieses Instrument ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft, von den Behörden ihres Mitgliedstaates ausgestellte öffentliche Urkunden mit einem standardisierten Übersetzungsformular vorzulegen. So entfallen Belastungen durch Kosten für Übersetzung und andere Kosten wie die für Beglaubigungen“, so der Minister. Kommissarin Jourová begrüßte diese Einigung ebenfalls, da sie „das Leben der europäischen Bürgerinnen und Bürger erleichtern“ helfe.

Vorratsdatenspeicherung

Die Minister führten auf der Grundlage eines vom Ratsvorsitz erstellten Dokuments eine grundsätzliche Diskussion über die Folgen der Ungültigkeitserklärung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung.

Zur Erinnerung: Am 8. April 2014 hatte der Europäische Gerichtshof die Richtlinie aus dem Jahr 2006 über die Vorratsdatenspeicherung in seinem Urteil (genannt „Digital Rights“) für ungültig erklärt und stützte sich dabei insbesondere auf die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten betreffen.

„Dies ist das erste Mal seit dem EuGH-Urteil (...), dass ein echter Austausch zwischen den Ministern zu diesem Thema stattgefunden hat“, erklärte Félix Braz und fügte hinzu, dass es im „wichtig“ erschien zu erfahren, wie die Justizminister der EU die Situation analysieren. „Die Lage innerhalb der EU stellt sich allerdings sehr unterschiedlich dar“, präzisierte er und führte hinzu, dass sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten eine Lösung auf europäischer Ebene wünscht.

Im Rahmen der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung waren die Mitgliedstaaten gezwungen, allgemein zugängliche Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentliche Kommunikationsnetzbetreiber zu verpflichten, Übertragungs- und Standortdaten zum Zwecke der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zwei Jahren zu speichern.

Effiziente Strafjustiz im digitalen Zeitalter

Der Rat machte auf Grundlage eines vom Ratsvorsitz erstellten Dokuments eine Bestandsaufnahme der Arbeiten an den Modernisierungsmöglichkeiten für die Rechtshilfe und an der Beseitigung der Schwierigkeiten, die mit der Aufnahme und Verwendung von elektronischen Beweisen im Rahmen von Strafverfahren verbunden sind. „Es ist wichtig, der Strafjustiz zu ermöglichen, sich an die neuen Technologien anzupassen, die sie vor Herausforderungen stellen, insbesondere im Bereich der Rechtshilfe“, bemerkte der Minister.

Hassreden im Internet

Auch das Thema der Hassreden stand auf der Tagesordnung des Ministertreffens, wo diese doch die Kommission aufgefordert hatten, bei ihrer Ratssitzung vom 9. Oktober 2015 einen Dialog mit den Dienstanbietern anzustoßen.

„Ein solcher Dialog erweist sich für eine angemessene Herangehensweise an dieses Phänomen als unabdingbar“, betonte der Minister und erinnerte daran, dass „es heutzutage strafrechtliche Vorschriften für die virtuellen Raum gibt, an die sich jeder zu halten hat“.

Kommissarin Jourová kündigte am selben Tag den Start eines „Internetforums“ an, um gemeinsam mit Unternehmen wie Facebook, Twitter, Google und Microsoft Radikalisierung und terroristische Propaganda im Internet zu bekämpfen. Weiter erklärte sie, sie habe die Unternehmen aufgefordert, der Kommission Daten insbesondere zur Löschung krimineller Inhalte im Internet, deren Verwertung im juristischen Rahmen und der Art und Weise, wie mit offensichtlichen Fällen von Hassreden im Internet umgegangen wird, zukommen zu lassen. Sie bekräftigte vor diesem Hintergrund auch den Einsatz der Kommission für die Wahrung der Meinungsfreiheit.

Reform des Schutzes personenbezogener Daten

Minister Braz erläuterte den Stand der Trilogverhandlungen über das Datenschutzpaket insbesondere nach der Annahme seiner Verhandlungsposition durch den Rat zum Richtlinienentwurf zum Datenschutz vom Oktober 2015.

Es sei daran erinnert, dass der Richtlinienentwurf Teil des umfassenden Pakets von gesetzgeberischen Maßnahmen zum Datenschutz ist, der von der Kommission am 25. Januar 2012 vorgeschlagen wurde und der auch eine allgemeine Verordnung umfasst, die Gegenstand einer allgemeinen Ausrichtung des Rates vom Juni 2015 war.

Zu diesem Thema gab der Minister bekannt, dass die Verhandlungen „gut vorankommen“ und zeigte sich zuversichtlich, was den Abschluss „der beiden Themen bis Ende des Jahres“, anbelangt.

EuGH-Reform

Félix Braz gab bekannt, dass der Rat die Reform der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) formell angenommen hat. „Diese Reform bietet eine nachhaltige, langfristige Lösung für die Probleme, denen sich das Gericht der Europäischen Union zurzeit gegenübersieht. Es wird dadurch in die Lage versetzt, seine Funktionen gemäß den Fristen und nach den Qualitätsstandards auszuführen, die die europäischen Bürger und Unternehmen in einer auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruhenden Europäischen Union erwarten können“, so der Minister.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 03-12-2015