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Minister im Europäischen Parlament

Nicolas Schmit beantwortet vor dem Europäischen Parlament eine mündliche Anfrage zur elektronischen Massenüberwachung der EU-Bürger

pe-schmit-1Minister Nicolas Schmit, der für die Zeit des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes mit den Beziehungen zum Europäischen Parlament betraut ist, sprach am 28. Oktober 2015 vor der Plenarversammlung in Straßburg, um eine mündliche Anfrage zur elektronischen Massenüberwachung der EU-Bürger zu beantworten. Die von Claude Moraes (S&D) im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments vorgetragene mündliche Anfrage betraf die politische Stellungnahme des Rats zum Thema der elektronischen Massenüberwachung der EU-Bürger und die seit der am 12. März 2014 vorgelegten Entschließung des Parlaments auf diesem Gebiet vom Rat ergriffenen und beabsichtigten Maßnahmen. Der Beitrag von Minister Schmit folgte auf eine Debatte im Europäischen Parlament vom 14. Oktober 2015 über die Konsequenzen des sogenannten „Schrems“-Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), durch das die „Safe Harbour“-Regelung, in der die Übermittlung personenbezogener Daten europäischer Bürger in die Vereinigten Staaten von Amerika geregelt ist, de facto für ungültig erklärt wurde.

Der Rat ist fest entschlossen, bis zum Jahresende einen soliden Rahmen für den Datenschutz zu verabschieden

Zu Beginn erinnerte Nicolas Schmit daran, dass der Rat die Bedenken des Europäischen Parlaments hinsichtlich der geheimen Überwachungsprogramme und deren Auswirkungen auf die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten der EU-Bürger teile. Der Minister betonte, dass die Staaten zwar Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürger vor Terrorismus und anderen Angriffen auf ihre Souveränität ergreifen müssen, hierbei jedoch auch der Schutz der Grundrechte zu beachten sei.

In diesem Sinne erinnerte der Minister daran, dass der Ausgangspunkt auf EU-Ebene somit die Wahrung der Charta der Grundrechte, einschließlich des Rechts der EU-Bürger auf den Schutz personenbezogener Daten, sei. In den Vereinigten Staaten sei die Bewertung von Schutz und Sicherheit mit der ganz eigenen Erfahrung des Landes verbunden, und unterscheide sich daher von der in Europa, erklärte er.

Der Minister betonte, dass dem zunehmenden Rückgriff auf die Massenüberwachung keine demokratische öffentliche Debatte vorausgegangen sei, wie es zu Recht in dem am 12. März 2014 von Claude Moraes vorgelegten Bericht hervorgehoben worden sei.

Anschließend wies der Minister darauf hin, dass es der Kommission zukomme, das „Schrems“-Urteil auf angemessene Weise nachzuverfolgen; eine erste Evaluierung hat bereits auf der Sitzung des Rats „Justiz und Inneres“ vom 9. Oktober 2015 stattgefunden. Ansonsten habe sich sein Standpunkt seit seinen Äußerungen bei der Mini-Plenardebatte über die Konsequenzen der Aussetzung der „Safe Harbour“-Regelung vom 14. Oktober 2015 nicht geändert, so Nicolas Schmit. Der Minister hatte vor allem dazu aufgerufen, die Bürger hinsichtlich des Schutzes ihrer Daten zu beruhigen und die Unternehmen über weitere rechtliche Möglichkeiten zur Übertragung von Daten zu informieren. Er hatte sich auch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Datenschutzbehörden gewünscht, um eine einheitliche Anwendung des Urteils zu gewährleisten.

Nicolas Schmit legte auch Wert darauf, „zwei positive internationale Entwicklungen im Rahmen der Massenüberwachung“ zu nennen: zum einen das am 8. September 2015 in Luxemburg paraphierte Rahmenabkommen über den Datenschutz  (das sogenannte „Umbrella Agreement“), das aus seiner Sicht „ein Schritt voran im Hinblick auf die Garantie des Datenschutzes ist, wobei den Bürgern der Union in den Vereinigten Staaten auch Rechtsmittel zur Strafverfolgung angeboten werden“, und zum anderen den jüngst vor dem Kongress vorgestellten „US Judicial Redress Act“.

Was das Rahmenabkommen betrifft, so wies Nicolas Schmit darauf hin, dass der Rat den Vorschlag der Kommission abwarte und dass das Europäische Parlament dazu aufgerufen sei, seine Zustimmung zu diesem Vorschlag zu erteilen.

Was die im Anschluss an die Entschließung von März 2014 ergriffenen konkreten Maßnahmen anbelange, so erklärte Nicolas Schmit, dass der Schutz der Grundrechte im digitalen Zeitalter „ständig“ auf der Tagesordnung der Sitzungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten stehe, sowohl auf der Ebene hochrangiger Beamter als auch auf politischer Ebene. „Diese Sitzungen haben es ermöglicht, das Vertrauen im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten wiederherzustellen, und sie haben die US-amerikanischen Behörden dazu gebracht, gerade den 'Judicial Redress Act' dem Kongress vorzustellen“, führte er weiter aus.

Nicolas Schmit erwähnte ebenfalls die Sitzung, die am 3. Juni 2015 in Riga zwischen den Ministern für Justiz und Inneres der EU und ihrem Amtskollegen der Vereinigten Staaten stattgefunden hat. Diese Begegnung führte zur Erklärung von Riga, in der die konkreten Kooperationsmaßnahmen für die nächsten fünf Jahre festgelegt sind. „Diese Maßnahmen betreffen insbesondere konkrete Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Datenschutz und beinhalten auch eine beiderseitige Verpflichtung zu einer verstärkten Umsetzung des von ihnen geschlossenen Rechtshilfeübereinkommens, damit die Strafverfolgungsdienste besser unter Wahrung des Datenschutzes zusammenarbeiten können“, präzisierte der Minister.

Nicolas Schmit zeigte sich schließlich auch erfreut über die Intensivierung der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über das Datenschutzpaket (eine allgemeine Verordnung und eine Richtlinie über den Datenschutz zu Strafverfolgungszwecken). „Der Rat und das Parlament sind beide fest entschlossen, bis zum Jahresende einen soliden Rahmen für den Datenschutz zu verabschieden“, erklärte er. Der Rat werde seine Zusammenarbeit mit dem Parlament und der Kommission auf dieser Grundlage fortsetzen, um die Rechte auf die Wahrung der Privatsphäre zu stärken und um die digitale Wirtschaft in Europa weiter auszubauen, erklärte Nicolas Schmit zum Abschluss seines Beitrags.

Der Standpunkt der Europäischen Kommission

Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission und EU-Kommissar für den Euro und den sozialen Dialog, wies darauf hin, dass die Kommission weiterhin Bedenken habe angesichts der in den Medien veröffentlichten Reportagen über die Überwachungsprogramme und den unberechtigten Zugriff auf die Daten der europäischen Bürger, und erklärte, dass die nationale Sicherheit nach wie vor eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bleibe.

Der EU-Kommissar erinnerte daran, dass zwei Reformvorschläge auf dem Gebiet des Datenschutzes derzeit in der letzten Phase der interinstitutionellen Verhandlungen stünden. Er erwähnte auch das „Umbrella Agreement“ und plädierte für die Erstellung einer europäischen Strategie für eine größere Unabhängigkeit der Informationstechnologie, wobei er ankündigte, dass eine solche Strategie im Jahr 2016 von der Kommission eingeführt werde. Schließlich wies der EU-Kommissar noch darauf hin, dass eine schnelle Antwort der Kommission bezüglich des Schrems-Urteils notwendig sei, und ließ wissen, dass die Verhandlungen über die Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS), durch die die Mitgliedstaaten künftig besser gerüstet sein sollen, um auf Bedrohungen der Cyberkriminalität zu reagieren, bis zum Jahresende abgeschlossen sein dürften.

Der Standpunkt der Europaabgeordneten

Claude Moraes (S&D), Verfasser des Berichts des Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), erinnerte daran, dass die Massenüberwachung einen der wichtigsten Bereiche zum Schutz der Privatsphäre der Bürger darstelle. Ein Beweis dafür sei das Ergebnis der Abstimmung im Plenum von März 2014, bei der 544 Europaabgeordnete seinem Bericht zugestimmt hätten. „Der Schutz der Privatsphäre ist keine Wahlmöglichkeit, sondern etwas Grundsätzliches für das Vertrauen unserer Mitbürger“, merkte er an. Der Berichterstatter erklärte sich „stolz“ darauf, dass das Parlament ins Detail gegangen sei, was den Schutz der Grundrechte im digitalen Zeitalter betreffe, wobei er auch daran erinnerte, dass die Überwachung zwar eine grundlegende Notwendigkeit zur Bekämpfung des Terrorismus sei, die Art und Weise, wie die Massenüberwachung realisiert werde, jedoch glaubwürdig sein müsse.

Im Laufe der anschließenden Debatte riefen zahlreiche Europaabgeordnete zur Wahrung der Grundrechte in einer Zeit auf, in der die Masseneinholung von Daten in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits zu einer „gängigen Praxis“ geworden sei. Sie forderten darüber hinaus die Einführung einer soliden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Datenschutzes. Sie plädierten für die Schaffung eines Gleichgewichts zwischen der Sicherheit und Privatsphäre des Einzelnen.

Andere wiederum beklagten das „Schweigen“ und die „Untätigkeit“ der Kommission bezüglich der Enthüllungen von Edward Snowden ab Juni 2013 und riefen die Institutionen dazu auf, „sich ihrer Verantwortung zu stellen“.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 28-10-2015