Justiz und Inneres
Ratssitzung

Flüchtlingskrise – In mehreren im Vorfeld des Rats Justiz und Inneres veröffentlichten Interviews appelliert Jean Asselborn daran, „Ordnung in das derzeitige Chaos zu bringen“

In einer Reihe von Interviews, die in den Ausgaben der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ und in den luxemburgischen Tageszeitungen „Luxemburger Wort“ und „Tageblatt“ vom 14. September 2015 veröffentlicht wurden, zog der luxemburgische Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Immigration, Jean Asselborn, eine Bilanz der Flüchtlingskrise. Diese Frage steht auf der Tagesordnung des Rats Justiz und Inneres, bei dem er am 14. September den Vorsitz übernehmen wird.

Luxemburger WortFür Jean Asselborn wird dieser Tag „wohl der wichtigste Tag der luxemburgischen Présidence“. „Es geht um das Schicksal der Flüchtlinge, es geht aber auch um die europäischen Werte und es geht um Solidarität“, erklärte der Minister in seinen Interviews mit den beiden luxemburgischen Tageszeitungen.

Europa funktioniert nur, wenn wir solidarisch sind “, erinnerte Jean Asselborn gegenüber Dani Schumacher, Journalisten der Tageszeitung „Luxemburger Wort“. „Wir haben die moralische Verpflichtung, den Flüchtlingen Schutz zu gewähren, und das internationale Recht bietet uns keine andere Wahl, ob es sich um die Genfer Konvention oder um die EU-Grundrechtscharta handelt“, führte Jean Asselborn weiter aus. Der Minister betonte deutlich die Notwendigkeit der Entwicklung „einer langfristigen Strategie, damit wir bei der nächsten Flüchtlingswelle nicht wieder bei null anfangen müssen“.  Europa werde tatsächlich „mindestens ein Jahrzehnt lang mit dem Problem konfrontiert sein“, so Asselborn.

Für den Minister besteht das Ziel dieses Treffens darin, eine „grundsätzliche politische Einigung“ über den neuen Vorschlag der europäischen Kommission für die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen (davon etwa 50.000 aus Griechenland, 54.000 aus Ungarn und 16.000 aus Italien) zu finden. Diese politische Einigung müsse dann beim nächsten Treffen der Innen- und Justizminister am 7./8. Oktober 2015 umgesetzt werden, erklärte Jean Asselborn in den Interviews mit den beiden luxemburgischen Tageszeitungen genauer.

Nur zur Erinnerung, der neue Vorschlag der Kommission ergänzt den Vorschlag aus dem Mai zur Umverteilung von 40.000 Personen, über den die Minister für Immigration beim Rat für Justiz und Inneres im Juli 2015 eine Einigung erzielt haben. Der Minister hofft, zu einer „endgültigen Entscheidung“ über die Umverteilung dieser Flüchtlinge zu gelangen, die schon ab dem 15. September beginnen könnte, erklärte er dem Journalisten Jean-Jacques Mével von der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. Wenngleich die Mitgliedstaaten sich nur über eine Zahl von etwa 34.000 Schutzsuchenden einigen konnten, so zeigte Jean Asselborn sich in seinem Interview mit dem „Luxemburger Wort“ zuversichtlich, bis spätestens Dezember auch eine Lösung für die verbleibenden 6.000 Flüchtlinge zu finden.

Le FigaroNach Meinung von Jean Asselborn hänge jegliche Lösung von der Einrichtung sogenannter „Hotspots“ ab; dieses sind erste Aufnahmezentren in den Ankunftsländern, insbesondere Griechenland und Italien, wo die Asylsuchenden registriert werden und wo deren Asylanträge geprüft werden. „Es ist keine Umverteilung der Flüchtlinge möglich, ohne dass die Schalter für die Einreise in die EU in Italien und vor allem in Griechenland in Betrieb sind“, erklärte der Minister in seinem Interview in „Le Figaro“.

„Für Asylsuchende, die nicht unter die Genfer Konvention fallen, müssen Rückführungen organisiert werden“, führte er in seinem Interview mit Dhiraj Sabharwal vom luxemburgischen „Tageblatt“ weiter aus. Um Italien und vor allem Griechenland zu helfen, macht Asselborn den Vorschlag, „den Schutz der Grenzen im Zusammenspiel mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Registrierung der Schutzsuchenden in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Umsetzungsbüro für Asylfragen (EASO) zu verbessern.

Tageblatt„Wir wollen wissen, wer diese Menschen sind, woher sie kommen und ob sie die Asylbedingungen erfüllen“, betonte der Minister in „Le Figaro“, wobei er einen besonderen Schwerpunkt auf die „Pflichten“ der Schutzsuchenden legte, „sich an ihrem Ankunftsort registrieren zu lassen“. „Danach haben sie keine Wahl. Wenn sie einmal einem der Aufnahmeländer zugewiesen worden sind, dann müssen sie das akzeptieren“, bekräftigte er.

Der Minister rief dazu auf, „Ordnung in das derzeitige Chaos zu bringen“, wobei er betonte, dass die Entscheidung Deutschlands zur vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an seiner Grenze mit Österreich „ein deutliches Zeichen für die Dringlichkeit“ sei. „Die Kontrolle an den Innengrenzen ist unter außergewöhnlichen Umständen zulässig“, führte er in „Le Figaro“ weiter aus. Dahingegen warnte der Minister vor einer Infragestellung des Freizügigkeitsabkommens von Schengen.

In seinem Interview im luxemburgischen „Tageblatt“ warnte der Minister vor einer Schließung der Grenzen, so wie sie von Ungarn angedroht wird. „Wenn Ungarn seine Grenzen hermetisch abriegelt, suchen die Menschen einen anderen Weg. Dann folgen weitere Staaten im Balkan, die ihre Grenzen schließen. Solch eine Situation wäre unkontrollierbar“, so der Minister.

Angesichts der Ablehnung Ungarns, sich an dem Umverteilungsmechanismus zu beteiligen, äußerte Jean Asselborn die Meinung, dass Ungarn „ein echtes Problem“ sei und dass das Land „sich ausgeklinkt“ habe. Doch weder der Mechanismus als solches noch die vorgeschlagenen Zahlen würden in Frage gestellt, versicherte er in seinem Gespräch mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. Jean Asselborn, der auf die Solidarität, die heute noch gegenüber den östlichen EU-Ländern im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland gezeigt werde, aber auch auf die Solidarität beim Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion verwies, warnt: „Wenn keine Gegenseitigkeit zum gegebenen Zeitpunkt herrscht, dann kann das Konsequenzen haben...“.

Auf die Frage in seinem Interview mit dem „Luxemburger Wort“ über das Dublin- Abkommen antwortete Jean Asselborn: „Dublin ist nicht für Ausnahmesituationen wie diese gedacht“: „Dublin ist nicht tot. Wir dürfen Dublin nicht über Bord werfen, solange wir keinen neuen Mechanismus haben“.

Jean Asselborn erklärte darüber hinaus: „Wir müssen uns aber auch überlegen, ob wir nicht stärker auf den Weg der „Umsiedlung“, so wie Großbritannien dies tut, gehen sollten.“ Diese Politik habe den Vorteil, dass die Flüchtlinge sich nicht den Schleppern ausliefern müssten.

Der Minister betonte schließlich die Notwendigkeit „enorme finanzielle Mittel“ zur Verfügung zu stellen. „Wir brauchen ein Riesenbudget, mit einer Milliarde Euro ist es nicht getan“, erklärte er. In den drei Interviews rief Jean Asselborn dazu auf, dem Libanon, Jordanien und der Türkeizu helfen. „Viele der 4 Millionen Syrier, die sich in diesen Ländern aufhalten, würden gerne in der Nähe ihrer Heimat bleiben. Sie machen sich auf den Weg nach Europa, weil das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) über keine ausreichenden Mittel mehr verfügt, um ihnen zu begegnen“, erklärte der Minister in seinem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 14-09-2015