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54. Sitzung der COSAC – Die nationalen Vertreter betonten die Wichtigkeit der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der EU, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zu überwinden

Vertreter der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten der EU trafen sich zur 54. Konferenz der Sonderorgane für EU-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC), die am 30. November und 1. Dezember 2015 in Luxemburg stattfand. Unter dem Vorsitz von Marc Angel, Präsident des Ausschusses für auswärtige und europäische Angelegenheiten, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit und Immigration der luxemburgischen Abgeordnetenkammer (CHD), standen die europäische Migrationsagenda, die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa und schließlich die Politik der Erweiterung der EU auf der Tagesordnung der Debatten.

Während der ersten Sitzung über die europäische Migrationsagenda behandelten die Debatten konkret die gemeinsame Asylpolitik und die Politik der legalen Migration sowie die Bekämpfung der illegalen Migration und die Sicherheit der Außengrenzen.

Im Laufe der Debatten betonte eine große Mehrheit der Redner die Wichtigkeit der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der EU, um die mit der Flüchtlingskrise verbundenen Herausforderungen überwinden zu können.

Nach Meinung von Marc Angel und Mars Di Bartolomeo kann die europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise keine „Festung Europa“ sein

Mehr denn je kommt es darauf an, dass wir uns solidarisch zeigen, und es gilt, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken“, erklärte Marc Angel in seiner Eröffnungsrede, bevor er die Notwendigkeit betonte, Terroristen und Flüchtlinge nicht über einen Kamm zu scheren. Mars Di Bartolomeo, Präsident der Abgeordnetenkammer, bekräftigte diese Meinung, wobei er deutlich hervorhob, dass die Flüchtlinge selbst Opfer des Terrorismus seien.

Sodann unterstrichen beide, dass die europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise keine „Festung Europa“ sein könne. Was die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch einige Mitgliedstaaten betrifft, so wies Marc Angel darauf hin, dass solche Kontrollen „nicht das Ende des Schengen-Raums bedeuten“. Gleichwohl präzisierte er, dass die Schengener Abkommen „auf keinen Fall“ in Frage gestellt werden dürften, und er plädierte für eine Verstärkung der äußeren Sicherheit des Schengen-Raums.

Die gemeinsame Asylpolitik und die Politik der legalen Migration

Gaston Stronck, Mars Di Bartolomeo et Marc Angel à Luxembourg, le 30 novembre 2015Gaston Stronck, Direktor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen und europäische Angelegenheiten im luxemburgischen Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten, betonte die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren (Kommission, Mitgliedstaaten, Drittländer und Organisationen), um einem „noch nicht dagewesenen Migrationsdruck“ zu begegnen. „Die europäische Politik muss einen entschiedenen Kurs beibehalten, wobei aber gleichzeitig die kurz- und langfristigen Probleme angegangen werden müssen“, betonte er mit Nachdruck.

Aus seiner Sicht erweisen sich die einzelnen auf europäischer Ebene verabschiedeten Maßnahmen als „noch nicht ausreichend angesichts des Ausmaßes der Migrationsströme“. Außerdem hätten sich auch einseitige und einzelne Maßnahmen bestimmter Mitgliedstaaten, ohne größere Ausnahmen, eher als nachteilig erwiesen, so Stronck, wobei er zu einer koordinierten Vorgehensweise, zu Zusammenarbeit und Solidarität aufrief. Aus seiner Sicht könne sich die Kontrolle der Flüchtlingsströme „nicht auf europäische Lösungen beschränken“, und eine Stärkung der Kapazitäten sei „unerlässlich“. Daher sei die Union „bereit, ihre Bemühungen auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit zu verstärken, um die Herkunfts- und Transitländer zu unterstützen“.

Gaston Stronck betonte zudem die  Notwendigkeit „einer Ausgewogenheit zwischen Immigration und Rückführung“. Seiner Meinung nach habe die Sitzung des Rates „Justiz und Inneres“ vom 8. Oktober den Weg geebnet für eine „neue Politik der Rückführung und Rückübernahme, die eine grundlegende Rolle in der Zukunft spielen muss“. Er rief außerdem dazu auf, die bestehenden Regeln anzuwenden und den Missbrauch des Asylsystems zu reduzieren. Nach Meinung des Direktors sei die Stärkung des Mandats der Frontex-Agentur wesentlich, insbesondere mittels der Einrichtung eines „Rückführungsbüros“.

Was den Mechanismus für die Umsiedlung von 160.000 Asylbewerbern betrifft, der im September mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet wurde, so vertrat Gaston Stronck den Standpunkt, dass die Umsiedlung „von Natur aus mit der richtigen Funktionsweise der „Hotspots“ zusammenhängt“, denn diese Erstaufnahme- und Registrierungszentren  ermöglichten eine erste Sortierung, Identifizierung und Registrierung der Migranten und die Aufnahme ihrer Fingerabdrücke. Er begrüßte die „beachtliche Arbeit“ der griechischen und italienischen Dienste in den beiden Hotspots, die bisher in diesen beiden Ländern eröffnet worden sind, wobei er die Mitgliedstaaten dazu aufrief, das notwendige Personal vor Ort zu stationieren, um eine gute Funktionsweise dieser Zentren zu gewährleisten.

Gaston Stronck erklärte ferner seinen Standpunkt, dass die Sicherung der Außengrenzen der EU „anzupassen und mit den Herausforderungen des Augenblicks sowie den Herausforderungen von morgen abzustimmen“ seien, wobei er in Erinnerung rief, dass die Europäische Kommission innerhalb des kommenden Monats ein „Grenz-Paket“ vorschlagen werde.

Die Stärkung der Aufnahmekapazitäten an den Grenzstationen nach Europa, ebenso wie entlang der Balkanroute, bleibe eine „wesentliche Priorität“, betonte Gaston Stronck außerdem sehr deutlich, insbesondere angesichts des Wintereinbruchs, denn „die EU kann es sich nicht erlauben, die Menschen, die eine Zuflucht suchen, erfrieren zu lassen“. Zur Erinnerung: Dank eines vom Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker einberufenen Gipfeltreffens hatten die Kapazitäten um insgesamt weitere 100.000 Plätze erhöht werden können.

Unter Verweis auf das Gipfeltreffen zwischen der EU und der Türkei, das am 29. November 2015 stattfand, vertrat Gaston Stronck weiter den Standpunkt, dass „Lösungen ohne die Türkei nur schwer denkbar sein werden“, angesichts der Tatsache, dass dieses Land 2,2 Millionen Flüchtlinge aufnehme.

Angesichts der steigenden Zahl der Anträge auf internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2015 vertrat die italienische Europa-Abgeordnete Laura Ferrara (EFDD), Mitglied des LIBE-Ausschusses des Europäischen Parlaments, den Standpunkt, dass die EU ihre Bemühungen zur Reaktion auf die Migrationskrise intensivieren müsse. Kurzfristig gehe es darum, in Notfallsituationen „gemeinsam“ und „solidarisch“ zu handeln. Mittel- und langfristig müsse die EU ihrer Meinung nach angesichts eines „noch nie dagewesenen Drucks“ die Dublin III-Verordnung anpassen. Aus ihrer Sicht müssten die Bedingungen und Mechanismen zur Bestimmung, welche Staaten für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig seien, überarbeitet werden, um „ein höheres Maß an gemeinsamer Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten“ vorzusehen.

Laura Ferrara betonte im Übrigen die Notwendigkeit der Schaffung von „sicheren und legalen Alternativen zur illegalen Einwanderung“, ohne die die Migranten weiter Risiken eingehen würden, wobei sie gefährliche Routen wählten, auf denen sie oftmals Opfer von Menschenhändlern und sexueller Ausbeutung würden. Dennoch stellte sie klar, dass „diese Art von Lösungen im Europäischen Parlament nicht einstimmig befürwortet“ würden.

Schließlich betonte die Europa-Abgeordnete die Notwendigkeit einer „Überarbeitung der Wirtschafts-, Handels- und Energiepolitik“, um die „Ursachen dieser Migrationsströme“ anzugehen.

Jean-Pierre Schembri, Mitglied des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), stellte mehrere Zahlen auf dem Gebiet der Asylfragen vor. Im Oktober 2015 seien 176.000 Asylanträge innerhalb der EU gestellt worden; das seien 2,4 Mal so viele wie im Oktober 2014. Was die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen betreffe, so habe sich diese im Oktober 2015 im Vergleich zum Oktober vergangenen Jahres verfünffacht. Ein Drittel der Minderjährigen ohne Begleitung habe in Schweden, gefolgt von Österreich und Deutschland, Aufnahme gefunden.

Im Übrigen seien seit dem Jahresanfang bis Oktober 2015 eine Million Asylanträge gestellt worden, im Vergleich zu 662.000 Anträgen, die im Laufe der ersten zehn Monate des Vorjahres gestellt worden seien.  Deutschland und die skandinavischen Länder seien die Hauptzielländer dieser Migranten gewesen.

Was die Verzögerungen in der Bearbeitung der Anträge betreffe, so wies Jean-Pierre Schembri darauf hin, dass 29 % der Antragsteller seit über 6 Monaten warteten, und dass es derzeit einen Rückstau von rund 900.000 Fällen in der EU gebe. Die am stärksten von den Verzögerungen betroffenen Nationalitäten seien Syrer und Afghanen.

Jean-Pierre Schembri betonte schließlich, wie wichtig es sei, eine „gute und richtige Funktionsweise“ der Erstaufnahme- und Registrierungszentren zu gewährleisten, damit eine höhere Zahl von Personen vom Umsiedlungsmechanismus profitieren können. Laura Ferrara hatte zuvor die Zahl von weniger als 200 Personen genannt, die im Monat November umgesiedelt worden seien, während das Ziel bei einer Umsiedlung von 160.000 Personen innerhalb von zwei Jahren liege.

Die Bekämpfung der illegalen Migration und die Sicherheit der Außengrenzen

Michele Bordo, Präsident des Ausschusses für europäische Angelegenheiten in der italienischen Abgeordnetenkammer, vertrat seinerseits den Standpunkt, dass eine Schließung der Grenzen der Union nicht ausreiche, um sie sicherer zu machen, und dass dies auch nicht helfe, um den Migrationsströmen ein Ende zu setzen. Seiner Meinung nach sei Europa gegenwärtig mit einer strukturellen Krise konfrontiert, die eine gemeinsame europäische Antwort erfordere. Da sich die Mitgliedstaaten darin geeinigt haben, die Erstaufnahme- und Registrierungszentren („Hotspots“) einzurichten, dann müssten sie auch das Prinzip der Umverteilung der Flüchtlinge akzeptieren, betonte er mit Nachdruck, wobei er die Mitgliedstaaten dazu aufrief, sich jetzt für eine gemeinsame Vorgehensweise zu entscheiden, um das Problem in den Griff zu bekommen und nicht diejenigen Mitgliedstaaten alleine zu lassen, die sich an vorderster Front befinden.

„Die Mitgliedstaaten dürfen sich ihren Pflichten nicht entziehen“ erklärte er weiter und betonte auch die Notwendigkeit, mit den Transitländern zusammenzuarbeiten und dem Mittelmeerraum zu einer „Wachstumsgelegenheit“ zu verhelfen. Eine Errichtung von Mauern wird diese Krise nicht lösen, erklärte er und betonte, dass Europa den Fall der Mauern symbolisiere, und nicht umgekehrt.

Der Konter-Admiral Hervé Bléjean, Vize-Kommandant der Operation EUNAVFOR MED, zog Bilanz über den am 22. Juni 2015 begonnenen Einsatz. Dank dieses Einsatz, dessen Zweck in der Identifizierung, Beschlagnahmung und Neutralisierung der von Schleusern verwendeten Schiffe und Ressourcen besteht, konnten bereits 43 Menschenhändler verhaftet und 46 Boote zerstört werden. Wenngleich es sich hierbei nicht um einen Rettungseinsatz handele, so habe EUNAFVOR MED dennoch geholfen, das Leben von 5.723 Menschen zu retten, betonte Hervé Bléjean.

Dann zeigte er eine Tabelle über die von den Migranten genutzten Routen nach Europa. Im Jahr 2015 sei die überwiegende Mehrheit der Migranten (79 % bzw. 580.305 Personen) über die Balkanroute in die EU eingewandert; dies entspreche einem Anstieg um über 1.451 % im Vergleich zu 2014. Etwa 60 % dieser Flüchtlinge stammten aus Syrien, 23 % aus Afghanistan und 8 % aus dem Irak. Was die von den libyschen Küsten herkommenden Migranten betrifft, so nannte er eine Zahl von 143.308 Personen für 2015; dies entspreche einem Rückgang um 8 % im Vergleich zum Vorjahr. Von diesen Migranten stamme die Mehrzahl aus Eritrea (24 %), während nur eine geringe Zahl von Personen aus Syrien kam (4 %).

Hervé Bléjean betonte die Bedeutung der Einnahmen durch die illegale Migration für die libysche Wirtschaft, der ihm zufolge etwa ein Drittel, teilweise gar 50 % der Einnahmen bestimmter Küstenstädte, ausmache. Aus seiner Sicht hätten die Schleuser sich an die neuen Gegebenheiten „angepasst“: „Kein Schiff erreicht Italien aus eigener Kraft“, denn die Schleuser stellten weniger Kraftstoff zur Verfügung, erklärte Hervé Bléjean.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 30-11-2015