Die europäischen Energieminister haben sich am 26. November 2015 in Brüssel zu einer Tagung des Rats „Verkehr, Telekommunikation und Energie“ zusammengefunden, bei dem Fragen im Bereich der Energie erörtert wurden. Das Treffen, bei dem der Vize-Premierminister und Wirtschaftsminister, Étienne Schneider, den Vorsitz führte, ermöglichte es den Teilnehmern, Schlussfolgerungen zur Governance der Energieunion zu verabschieden und eine allgemeine Ausrichtung zu einem Vorschlag zur Regelung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung zu erarbeiten. Ebenso haben die Minister eine Orientierungsdebatte bezüglich einer Umgestaltung des Energiemarktes geführt.
Governance der Energieunion
Der Rat hat Schlussfolgerungen zur Governance der Energieunion verabschiedet, die der Kommission strategische und technische Orientierungen bei der Verwirklichung der Energieunion in den kommenden Monaten und Jahren an die Hand geben werden.
Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung begrüßte Étienne Schneider die Verabschiedung der Schlussfolgerungen zur Governance der Energieunion als „einen entscheidenden Schritt“, da sie die Bedingungen der Umsetzung etablieren, die der EU und den Mitgliedstaaten den Weg zu einer Entwicklung hin zu einer „wahrhaft integrierten und politischen Energieunion“ ebnen würden.
Zur Erinnerung: Die „Energieunion mit ihrer weitsichtigen Politik in Bezug auf den Klimawandel“ ist ein Projekt, das von der Kommission Juncker getragen wird und das im Februar 2015 gestartet wurde. Sie umfasst fünf wichtige Aspekte:
- die Sicherheit, Solidarität und das Vertrauen im Bereich der Energieversorgung;
- einen Energiebinnenmarkt;
- die Energieeffizienz als Mittel, um die Nachfrage zu senken;
- die Verringerung der CO2-Emissionen in der Wirtschaft;
- die Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit im Energiesektor.
Die Umsetzung dieser fünf Aspekte bedarf der Entwicklung eines zuverlässigen und transparenten Governance-Systems, ohne unnötige Verwaltungskosten für die Mitgliedstaaten entstehen zu lassen, so der Rat.
Dieses Governance-System wird die Einhaltung der von der EU gemeinsam erreichten Fortschritte in Bezug auf ihre Ziele im Bereich der Energie und des Klimas sowie die allgemeinen transversalen Ziele in Bezug auf die fünf Aspekte gewährleisten. Ebenso wird es einen methodischen und transparenten Überblick über die Lage der Energieunion liefern.
In diesen Schlussfolgerungen nennt der Rat als wesentliche Elemente des Governance-Systems:
- einen nationalen Plan im Bereich der Energie und des Klimas, den jeder Mitgliedstaat annehmen muss und der den Zeitraum von 2021 bis 2030 abdeckt;
- Berichte bezüglich der Fortschritte bei der Umsetzung des nationalen Plans, die sich alle an normierten Modellen orientieren;
- einen konstruktiven Dialog zwischen der Kommission und jedem Mitgliedstaat sowie
- eine Weiterverfolgung und Bewertung, die sich unter anderem an Schlüsselindikatoren orientieren.
In diesem Rahmen haben die Minister außerdem vom ersten Jahresbericht der Kommission über die Lage der Energieunion Kenntnis genommen, der am 18. November 2015 von der Kommission verabschiedet und vom Vizepräsidenten der Kommission und EU-Kommissar für die Energieunion, Maroš Šefčovič, vorgestellt wurde. Dieser Bericht enthält eine Analyse der Situation im Energiebereich, und zwar sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene.
Energieverbrauchskennzeichnung
Der Rat hat sich auf ein Abkommen zu einer allgemeinen Ausrichtung in Bezug auf den Vorschlag einer Verordnung geeinigt, in der ein Rahmen für die Energieverbrauchskennzeichnung definiert wird. Diese Verordnung tritt an die Stelle der Richtlinie 2010/30/EU zur Kennzeichnung von Produkten in Bezug auf ihren Energieverbrauch, die 1995 eingeführt wurde, um es Verbrauchern zu ermöglichen, eine sachkundige Entscheidung hinsichtlich des Energieverbrauchs treffen zu können.
Der EU-Klima- und Energiekommissar, Miguel Arias Cañete, begrüßte die Verabschiedung der allgemeinen Ausrichtung in Bezug auf den Vorschlag für eine Verordnung, in der ein Rahmen für die Energieetikettierung festgelegt werden soll, der es den Industriellen erleichtern wird, in grüne Energien zu investieren. Er erinnerte außerdem daran, dass Europa traditionell eine führende Position in diesem Sektor eingenommen habe; dahingegen sei China im Jahr 2014 mit einer Rekordsumme von 83 Milliarden Dollar Hauptinvestor gewesen; dies bedeute ein Wachstum von 39 % im Jahr 2013, während das Investitionsniveau in Europa bei 55 Milliarden Dollar liege.
Die Energieetikettierung würde dazu beitragen, die Energienachfrage zu senken und somit die Richtlinie 2010/30/EU zur Kennzeichnung von Produkten zu erreichen, so der Rat. Zur Erinnerung: Der Europäische Rat hatte in seinen Schlussfolgerungen von Oktober 2014 ein unverbindliches Ziel zur Erhöhung der Energieeffizienz um mindestens 27 % bis 2030 in der gesamten Union festgesetzt.
Der Vorschlag der Verordnung richtet sich im Großen und Ganzen weiterhin nach dem aktuellen Rahmen der Gesetzgebung, wobei ihr Anwendungsbereich gleichzeitig klarer definiert, verstärkt und erweitert wird. Er sieht die regelmäßige Überarbeitung der Kennzeichnungen vor, um die Herstellung von noch effizienteren Produkten zu fördern und eine zu einfache Vergabe der höheren Effizienzklassen zu verhindern. Die vorgeschlagene Verordnung sieht unter anderem klarere Regeln in Bezug auf Werbekampagnen, Werbung und Anreize vor und strebt eine Verbesserung hinsichtlich der Mechanismen bei der Umsetzung und der Transparenz für die Verbraucher und die Öffentlichkeit an. Hierzu soll eine Datenbank derjenigen Produkte eingerichtet werden, die einer Energieetikettierungspflicht unterliegen.
Der Vorschlag zur Energieverbrauchskennzeichnung ist Teil des „Sommerpakets der Europäischen Kommission“ in Bezug auf die Energieunion, das mit einer öffentlichen Konsultation zu einer Umgestaltung des Energiemarktes einherging. Er beinhaltet ebenso eine Mitteilung bezüglich einer neuen Rollenverteilung für die Energieverbraucher.
Eine Umgestaltung des Energiemarktes
Der Rat führte eine Orientierungsdebatte in Bezug auf zwei Mitteilungen der Kommission auf der Grundlage einer Notiz des Ratsvorsitzes:
- die Einleitung des Prozesses der öffentlichen Konsultation zur Umgestaltung des Energiemarktes zwecks der Anpassung der aktuellen Regelungen der Organisation des Strommarktes an die neuen Herausforderungen;
- die Umsetzung einer neuen Rollenverteilung in Bezug auf die Verbraucher, bei der die Verbraucher im Mittelpunkt des zukünftigen Energiesystems stehen sollen. Ziel ist es, die Vorteile der neuen Technologien zu nutzen, um die Verbraucher in vollem Umfang an der Energiewende teilhaben zu lassen und damit sie ihren Verbrauch so verwalten können, dass sie Geld sparen und zur weltweiten Verminderung des Energieverbrauch beitragen können.
Diese beiden Mitteilungen schließen sich der Verlängerung des im Februar dieses Jahres vorgestellten strategischen Rahmens der Kommission für eine reaktionsfähige Energieunion an. Mit Gesetzesvorschlägen wird in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 gerechnet.
Außerdem diskutierten die Minister über die Rolle der Verteilernetzbetreiber, die sich mit der vorgesehenen Entwicklung des Elektrizitätssystems grundlegend ändern wird, und zwar basierend auf vom Ratsvorsitz vorbereiteten Fragen.
Die COP21
Kommissar Cañete begrüßte eine Debatte zur Rolle der Energie innerhalb der weltweiten Klimadebatten, die „genau im richtigen Augenblick stattfindet“, nämlich weniger als fünf Tage vor der Klimakonferenz in Paris (COP21), die am 30. November beginnt.
„Die Klimakonferenz in Paris ist eine einzigartige Gelegenheit, um die Energiewende in Europa hin zu einer saubereren und lokal produzierten Energie zu beschleunigen“, so der Kommissar. Außerdem merkte er an, dass dies ebenso eine hervorragende Gelegenheit sei, um die europäischen Unternehmen des Energiesektors an die Spitze des neuen Weltmarktes der Energien mit geringen Kohlendioxidemissionen und des Marktes der Technologien mit hoher Energieeffizienz zu stellen.
Der Kommissar begrüßte zudem die Tatsache, dass 178 Länder, die für 96 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, ihre beabsichtigten nationalen Beiträge (oder auch INDC −„intended nationally determined contribution“) zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) übermittelt haben.
Seiner Ansicht nach beweisen diese INDC, dass die Länder eine wirtschaftliche Chance ergreifen, und hielt dazu an, diese als strategische Investition in das Wachstum des Sektors der CO2-emissionsarmen Technologien zu betrachten. Ihm zufolge würden die Zielsetzungen, die Indien und China auf den Tisch legten, dazu beitragen, die weltweite Produktion von erneuerbaren Energien zu verdreifachen. Einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge müsste der Energiesektor zwischen 2015 und 2030 insgesamt 13.500 Milliarden Dollar in die Energieeffizienz und in Technologien mit geringen CO2-Emissionen investieren, um die INDC-Zusagen zu erfüllen, erläuterte der Kommissar.
Verschiedenes
Am Rande des Rates haben die Minister neue Regelungen in Bezug auf die Exportkredite der Kohlekraftwerke verabschiedet, die in einem Rahmen der OECD entwickelt wurden. Es handelt sich um einen bedeutenden Beitrag in Bezug auf die Verhandlungen über den Klimawandel im Rahmen der COP21, die am 30. November in Paris beginnt.
Abschließend wurden die Minister von der Kommission über die aktuelle und zukünftige Entwicklung der internationalen Beziehungen im Bereich der Energie, insbesondere über die trilateralen Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland und der EU in Bezug auf Erdgas, über die Energiegemeinschaft, über den Vertrag über die Energiecharta, über die Internationale Energieagentur, über die strategische Gruppe für die Zusammenarbeit im Energiebereich und über die Europa-Mittelmeer-Zusammenarbeit im Energiebereich informiert.