Die Gleichstellung von Frauen und Männern bei wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen war das Thema des zweiten Tages der internationalen Konferenz, die vom Ministerium für Chancengleichheit und vom Nationalen Frauenrat Luxemburg (CNFL) am 15. und 16. Oktober 2015 in Mondorf-les-Bains im Rahmen des luxemburgischen Ratsvorsitzes veranstaltet wurde. Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutierten dort über die Notwendigkeit von Quoten und die Hindernisse, die Frauen noch zu überwinden haben.
Als Ehrengast war Heiko Maas, der deutsche Justizminister, zugegen, der die Gründe erklärte, die die Bundesregierung dazu bewegt hatten, ein Gesetz zur Einführung einer Frauenquote von 30 % bei der Besetzung von Führungspositionen in großen Unternehmen vorzuschlagen. Der Weg bis zur Abstimmung im März 2015 im Bundestag sei „lang und steinig“ gewesen, erinnerte sich Heiko Maas und präzisierte, dass die Wirtschaft viele Jahre – vergeblich – versucht habe, den Frauenanteil über freiwillige Selbstverpflichtungen zu steigern. „Die Politik hat den Absichtserklärungen lange geglaubt. Doch auf schöne Worte sind kaum Taten gefolgt“, so der Minister. Er wies darauf hin, dass im Jahr 2014 der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten von DAX-Gesellschaften sogar um 1,5 Prozentpunkte auf 6,3 % zurückgegangen sei. Zudem sei die Tatsache, dass Frauen 22 % der Mitglieder in Aufsichtsräten stellen, vor allem auf die Arbeit der Gewerkschaften und das Engagement von Frauen als Gewerkschafterinnen zurückzuführen, betonte er.
„Die Politik hat der Wirtschaft viel Zeit gegeben, aber es hat nicht funktioniert. Die Zeit der Appelle ist vorbei. Es war an der Zeit für andere Instrumente gegenüber der Wirtschaft“, bekräftigte Heiko Maas. Ihm zufolge ist die Quotenfrage eine „Frage der Gerechtigkeit“, aber auch eine Frage der „ökonomischen Vernunft“ angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland.
Der Minister gab an, er habe daran gezweifelt, dass die Wirtschaft Frauen ernsthaft fördern wolle, als er die Argumente, die von einigen Verantwortungsträgern aus der Wirtschaft – „von gebildeten Männern“ – vorgebracht wurden, gehört habe. Diese hätten vor allem argumentiert, dass sie nie schnell genug ausreichend viele und gut ausgebildete Frauen finden würden und dass die Frauen folglich mehrere Posten übernehmen müssten. Man würde den Frauen also keinen Gefallen tun und sie zu sehr unter Druck setzen. Der Gipfel sei seiner Ansicht nach die Erklärung des Chefs der Deutschen Bank, Josef Ackermann, gewesen, der 2011 gesagt hatte, dass Frauen die Unternehmensvorstände „farbiger und schöner“ machen würden. Laut Heiko Maas sei dies der Beweis dafür, dass Frauen als „Dekoartikel“ und „schmückendes Beiwerk“ wahrgenommen werden.
„Die Quote wird die Quote überflüssig machen, denn Frauen an der Spitze werden selbstverständlich sein“, betonte der Minister. Ihm zufolge ist das Gesetz, das 2016 in Kraft treten wird, bereits erfolgreich, da die Unternehmen ihre Listen vorbereiten und weibliche Kandidaten vorschlagen müssen. Heiko Maas ist überzeugt, dass die Quote sich als Standortvorteil für die deutsche Wirtschaft erweisen und es ermöglichen werde, die Personalpolitik von Unternehmen, welche die Frauenpolitik „lange vernachlässigt“ hätten, entsprechend anzupassen. Er vertrat ferner die Auffassung, dass sich nicht die Frauen an die Arbeitswelt anpassen müssten, sondern die Arbeitskultur familienfreundlicher werden müsse.
Angesprochen auf den Mangel von Kinderbetreuungsplätzen und die Tatsache, dass viele Frauen nach der Geburt eines Kindes ihren Arbeitsplatz verlassen, räumte Heiko Maas hingegen ein, dass Deutschland anderen Ländern kulturell hinterherhinke, da Frauen sich noch immer rechtfertigen müssten, wenn sie nach der Geburt ihrer Kinder wieder arbeiten gehen. Eine Tradition, die sich dank der Quote ändern dürfte, so der Minister hoffnungsvoll.
Der Verschwendung der Ressourcen der Frauen, die 55 % der jungen Hochschulabsolventen ausmachen, ein Ende setzen
Während eines Vortrags verwies Annie Cornet, Professorin an der Universität Lüttich (HEC), auf den Anstieg der Frauenbeschäftigungsquote, der auf die Tatsache zurückzuführen sei, dass Frauen sich nach einer Geburt weniger häufig aus der Arbeitswelt zurückziehen. So belief sich die Beschäftigungsquote von Frauen mit einem Kind im Jahr 2012 beispielsweise auf 78 % gegenüber lediglich 37 % im Jahr 1983. Im Jahr 2012 ist knapp die Hälfte der Frauen mit drei Kindern erwerbstätig, während es im Jahr 1983 nur 32 % waren. Annie Cornet kritisierte, dass Frauen in der Wirtschaftspresse kaum sichtbar seien (im Jahr 2004 machten sie nur 16 % der Medienberichterstattung aus).
Auch wenn Frauen immer mehr verantwortungsvolle Positionen besetzen, dürfe man Ungleichbehandlungen und indirekte Diskriminierungen, die auf Stereotypen basieren, nicht verleugnen, so die Professorin. Ihr zufolge müsse man die Ressourcen optimieren und dürfe sie nicht verschwenden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Frauen 55 % der jungen Hochschulabsolventen ausmachen. Sie betonte, dass Frauen häufig mangels Alternativen, vor allem durch Familien-Betriebsübernahmen, an die Spitze von Unternehmen gelangen und dass die meisten Frauen sich ihre eigene Firma tendenziell nur im Dienstleistungssektor gründen würden.
Anstelle von Quoten, bei denen die Gefahr bestehe, dass Frauen als „Quotenfrauen“ stigmatisiert und benachteiligt werden, plädierte Annie Cornet für „transparente Auswahlverfahren“ und nannte als Beispiel den Beruf des Gerichtsvollziehers, der „von Vater zu Sohn“ weitergegeben werde. Allein die Einführung einer Prüfung habe es ermöglicht, die Frauenquote von 3 auf 30 % anzuheben, so die Professorin.
Aufruf zu einer gerechteren Aufteilung von Verantwortlichkeiten
Während eines Gesprächs am runden Tisch führten Vertreter aus der luxemburgischen Wirtschaft sowie Vertreter aus der Politik eine Debatte über die Notwendigkeit von Quoten.
Eine der Teilnehmerinnen war die österreichische Europaabgeordnete Evelyn Regner, die Berichterstatterin für den Vorschlag für eine Richtlinie über einen Frauenanteil von 40 % in den Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen ist, den die Europäische Kommission im Jahr 2012 unterbreitet hat, der jedoch aktuell im Rat blockiert wird. Sie plädierte für ein „level playing field“ und transparente Bedingungen bei Bewerbungen um Führungspositionen. Die Quote sei ihrer Ansicht nach gleichbedeutend mit transparenten Auswahlverfahren und garantiere gleiche Bedingungen. Sie sprach sich außerdem für Sanktionen aus und vertrat die Auffassung, dass nur dann Fortschritte erzielt werden, wenn die Politik eingreift. Ein weiterer Quoteneffekt: Ausgewählte männliche Personen seien häufig kompetenter. Anstatt noch weitere 50 oder 100 Jahre zu warten, sollte die Quote jetzt eingeführt werden, um "aus dem Reichtum der Frauen zu schöpfen", stellte sie fest.
Denise Steinhäuser, Mitglied des Aufsichtsrats von BGL BNP Paribas, kritisierte ihrerseits die Tatsache, dass viele Frauen nur als Gewerkschafterinnen in die Aufsichtsräte kämen, und forderte ein größeres Engagement vonseiten des Staates, der Banken und der Unternehmen. Sie bedauerte, dass Frauen sich Gedanken darüber machen müssten, ob sie Kinder (oder eine Karriere) bekommen können – „eine Frage, die sich ein Mann nicht stellt“. Sie bedauerte ebenso die Tatsache, dass fast die Hälfte der Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe, eine Arbeitsform, die „attraktiver“ gemacht werden müsse. Ihrer Ansicht nach sollten nicht nur die Unternehmen größere Anstrengungen unternehmen, um Frauen an sich zu binden, sondern auch die Frauen „müssen es wollen“.
Christiane Wickler, die Präsidentin der Fédération Cheffes d’Entreprise du Luxembourg (FFCEL), erklärte, die einzige Frau in einem Verwaltungsrat in ganz Flandern zu sein, und meinte, dass ihr dies „keine Angst“ bereite, sondern für sie eine bereichernde Erfahrung sei. Sie plädierte dafür, die Konkurrenz zwischen Frauen und Männern eher als eine Frage des Wettbewerbs als eine Frage der Macht zu betrachten.
Yves Elsen, CEO von Hitec Luxembourg, war der Ansicht, dass jeder Unternehmer, der „ein Unternehmen mit Bestand will“, Frauen einstellen müsse. Er betonte, dass seine Firma in den letzten 18 Monaten für vier offene Posten drei Ingenieurinnen eingestellt habe, ein Beweis für ihn persönlich, dass „der Wandel gerade im Gang ist“.
Luc Verbeken, CEO von ING Luxembourg, bekräftigte, dass Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sehr motiviert seien, man sie auf dem Weg, d. h. nach einer Geburt, jedoch verliere. Er räumte ein, dass die Vielfalt für ihn zwar ein „normaler und unbestrittener“ Ansatz sei, dass man aber „die Frauen suchen“ müsse.
Zum Abschluss der Konferenz verwies Lydia Mutsch, die Ministerin für Chancengleichheit, auf die Notwendigkeit, Bewusstsein zu schaffen sowie engagierte und motivierte Unternehmen zu haben, und bekräftigte die Absicht ihres Ministeriums, positive Maßnahmen zu fördern. Sie plädierte für eine gerechtere Aufteilung von Verantwortlichkeiten, sowohl im Privat- als auch im Berufsleben, und forderte die Männer dazu auf, sich im Bereich Erziehung und Pflege stärker zu engagieren. Der Ministerin zufolge sei eine „optimale Mischung von Maßnahmen“ erforderlich, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen, einschließlich freiwilliger und verbindlicher Elemente. Sie erklärte außerdem, dass sie darauf hoffe, eine Einigung in Bezug auf den Vorschlag für eine europäische Richtlinie über die Präsenz von Frauen in Aufsichtsräten zu erzielen, was ein „starkes Signal“ senden würde.