Am 15. und 16. Oktober 2015 fand in Mondorf-les-Bains eine internationale Konferenz über die Beteiligung von Frauen an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen statt. Zu dieser vom Ministerium für Chancengleichheit, in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Frauenrat Luxemburg (CNFL), veranstalteten Konferenz kamen Experten, Forscher und Vertreter aus der Politik zusammen.
In ihrer Eröffnungsrede betonte die Ministerin für Chancengleichheit Lydia Mutsch: „Dort, wo Entscheidungen getroffen werden, sind Frauen in der Minderheit“, und dies trotz einer guten Ausbildung. Sie unterstrich die Bedeutung eines „kollektiven Bewusstseins, dass sich etwas ändern muss“, und fügte hinzu, dass die Frage der Gleichstellung in Entscheidungsprozessen eine Priorität des luxemburgischen Ratsvorsitzes darstelle.
Die Ministerin stellte danach die Maßnahmen der luxemburgischen Regierung vor, um ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen in der Politik zu erreichen. Zu diesen Maßnahmen zählt insbesondere die Einführung einer Quote von 40 % (für jedes Geschlecht) auf den Listen der politischen Parteien für die nationalen Parlamentswahlen und die Wahlen des Europäischen Parlaments, die in einem Gesetzesentwurf vorgesehen ist.
Lydia Mutsch erinnerte daran, dass sich der Gleichstellungsindex für die Entscheidungsgremien der EU, der vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) berechnet wird, auf 39,7 (von 100) beläuft. Unter Berufung auf einen Bericht des EIGE, weist sie darauf hin, dass die Quoten weder ein „Allheilmittel“ noch eine „Garantie, dass mehr Frauen gewählt werden“, seien, jedoch schon häufig diesen Effekt gehabt hätten. Für Lydia Mutsch ist die Einführung von Quoten Teil eines „umfassenden Ansatzes“, um eine bessere Verteilung der politischen Verantwortung von Frauen und Männern zu erreichen.
Fortbestehen von geschlechtsspezifischen Stereotypen
Virginija Langbakk, die Direktorin des EIGE, betonte ihrerseits, dass Entscheidungsprozesse – ebenso wie die Wahrnehmung von „Führungsrollen“ – „geschlechtsspezifisch“ („gendered“) seien.
Sie stellte dann ihren Bericht über die Überprüfung der Umsetzung der Aktionsplattform von Peking in den EU-Mitgliedstaaten vor, die 1995 verabschiedet wurde und eine Stärkung der Handlungsfähigkeit von Frauen anstrebt. Der Bericht wird im November auf der Website des EIGE veröffentlicht.
Obwohl die von Virginija Langbakk präsentierten Daten eine erhöhte Vertretung von Frauen in legislativen und exekutiven Institutionen sowie in der öffentlichen Verwaltung bestätigen, deutet die Direktorin des EIGE trotzdem auf das Fortbestehen von „geschlechtsspezifischen“ Stereotypen hin, die den Fortschritt hinsichtlich einer gerechten Vertretung behindern. Sie prangert vor allem an, dass Frauen stärker in sozio-kulturellen Ressorts (Gesundheit, Bildung, Kultur) als in grundlegenden Funktionsbereichen (Verteidigung, Finanzen, Außenpolitik) vertreten seien.
Gleichstellung der Geschlechter in den europäischen Institutionen, Parlamenten und Zentralbanken
Virginija Langbakk präsentierte anschließend Statistiken über den Anteil von Frauen in politischen Institutionen. Im Europäischen Parlament beläuft sich der Anteil 2015 auf 37 % gegenüber 31 % im Jahr 2003, während von den 28 Kommissaren der Europäischen Kommission 9 Frauen sind (32 % gegenüber 25 % im Jahr 2003).
In den 297 Regionen der EU stellen Frauen 32 % der Gewählten in den Regionalversammlungen (im Vergleich zu 25 % im Jahr 2003). In den nationalen Parlamenten stehen rund 2.000 weibliche Abgeordnete mehr als 5.000 männlichen Abgeordneten gegenüber, was einem Frauenanteil von 28 % (im Vergleich zu 22 % im Jahr 2003) entspricht. Die Ministerposten werden zu rund einem Viertel (27 %) von Frauen besetzt (gegenüber 23 % im Jahr 2003).
In den Verwaltungsräten von 619 Unternehmen beträgt der Anteil der weiblichen Mitglieder 21 % (gegenüber 9 % im Jahr 2003) und der Anteil der weiblichen Präsidenten 7 %. Virginija Langbakk zufolge ist der Widerstand, Frauen in solche Positionen zu befördern, in „geschlechtsspezifischen“ und intransparenten Einstellungs- und Beförderungsverfahren verwurzelt.
Zur Erinnerung: 2012 hatte die Kommission einen Richtlinienentwurf vorgeschlagen, der in den Verwaltungsräten von börsennotierten Firmen eine Frauenquote von 40 % vorsah. Dieser Vorschlag werde im Rat jedoch blockiert, erklärte Nicolas Schmit, der Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft, auf der letzten Tagung des EPSCO-Rates.
Die Bedeutung der Debatte über Quoten
Virginija Langbakk unterstrich, dass in den Verwaltungsräten Fortschritte erzielt worden seien, und dass dies auf die wichtigen Debatten über die Einführung von Quoten zurückzuführen sei. Ihr zufolge sei diese Debatte notwendig, um vor allem in den Eliten auf das Problem aufmerksam zu machen, auch wenn Quoten für sie nur eine „vorübergehende Maßnahme“ seien, um mehr Gerechtigkeit zu erzielen. Sie betonte die wichtigen Fortschritte, die bei der Vertretung von Frauen auf politischer Ebene gemacht worden seien, insbesondere in rund zehn Ländern (darunter Belgien, Frankreich und Spanien), die legislative sowie freiwillige Quoten in politischen Parteien eingeführt hätten, während in den meisten Ländern nur freiwillige Quoten festgelegt worden seien. Dennoch sei es nur drei Ländern gelungen, eine ausgewogene Geschlechterverteilung im Bereich zwischen 40 und 60 % („gender balance zone“) zu erzielen (nämlich Spanien, Finnland und Schweden).
Dafür dominieren Männer den Sektor der Zentralbanken: Nur 14 % der Präsidenten bzw. Vizepräsidenten sind Frauen (im Vergleich zu 4 % im Jahr 2003). Sie stellen 18 % der Mitglieder in den Entscheidungsorganen der Zentralbanken, 1 % mehr als im Jahr 2003.
Bei der Abschlussdebatte des ersten Tages der Konferenz, an der Vertreter der luxemburgischen Parteien und Petra Meier, Professorin an der Universität Antwerpen, teilnahmen, betonten die Beteiligten, dass es notwendig sei, Frauen, die oft von einer politischen, von Männern dominierten Welt „eingeschüchtert“ seien, zu ermutigen. Petra Meier zufolge gehe es nicht um die Fähigkeiten der Frauen, sondern darum, den Frauen verständlich zu machen, dass sie „nicht nur dazu da seien, die Listen zu füllen“. Frauen würden ihrer Ansicht nach in „separate Netzwerke“ eingeteilt und oft nicht an Diskussionen oder Entscheidungsfindungsprozessen beteiligt.