Wirtschaft und Finanzen
Minister im Europäischen Parlament

Pierre Gramegna präsentierte die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments

conseil-ecofin-gramegna-15-07-15Der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna präsentierte am 15. Juli 2015 vor den Mitgliedern des in Brüssel tagenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes im Bereich der Wirtschaft und Finanzen.

Der Minister, der die "zentrale Rolle" seiner Gastgeber in der Erreichung der Ziele des Ratsvorsitzes begrüßte, brachte zum Ausdruck, dass er sich der zahlreichen Herausforderungen zu einer "entscheidenden Stunde" für Europa vor dem Hintergrund eines zu schwachen und zu stark von vorübergehenden Faktoren abhängigen Aufschwungs bewusst sei. Pierre Gramegna nannte die hohe Arbeitslosigkeit, das Fehlen notwendiger Investitionen in Unternehmen, die weiterbestehenden Lücken in der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), die nach wie vor offenen Fragen auf dem Gebiet der Besteuerung von Unternehmen sowie die Probleme und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel.

Wirtschaftliche Governance

Der Minister erwähnte zunächst das Thema der wirtschaftlichen Governance, wobei er daran erinnerte, dass der Ecofin-Rat am Vortag den Prozess des Europäischen Semesters 2015 durch Verabschiedung der länderspezifischen Empfehlungen zum Abschluss gebracht hatte. Diese Empfehlungen beruhten auf den drei Säulen der vom Europäischen Rat verabschiedeten Wachstumsstrategie und seien nach wie vor der Schlüssel "zur Maximierung unseres kollektiven Wachstumspotenzials", betonte Pierre Gramegna: Erhalt der finanziellen Stabilität und der haushaltspolitischen Verantwortung; Ankurbelung des Wachstums durch produktive Investitionen; und Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU durch Strukturreformen.

Nach Ansicht des Ministers liege eine der Schwächen des Prozesses jedoch in deren Umsetzung: "Wir müssen dafür sorgen, dass sie bei der Erarbeitung der Politiken besser berücksichtigt werden", so der Minister. Für das nächste Europäische Semester, das am Ende der Ratspräsidentschaft eröffnet wird, versicherte Pierre Gramegna, dass er sich persönlich vergewissern werde, dass der Ecofin-Rat eine sorgfältige Prüfung des Berichts des Warnsystems und der jährlichen Wachstumsprüfung" vornehmen werde, und dies unter voller Berücksichtigung der Umsetzung der vorgenannten Empfehlungen".

In demselben Kontext erwähnte der Minister auch die gegenwärtigen Diskussionen über den von der Europäischen Kommission in einer Mitteilung von Januar 2015 definierten Grundsatz der Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt. Er fügte hinzu, dass die technischen Arbeiten dazu begonnen hätten und dass eine Agenda festgelegt worden sei, wobei eine gewisse Klarheit in dieser Hinsicht als notwendig erachtet werde.

Pierre Gramegna betonte im Übrigen, dass der Ratsvorsitz seine Bemühungen zur Neuankurbelung der Investitionen im Rahmen des "Juncker"-Plans zur Mobilisierung von 315 Milliarden Euro über drei Jahre weiter fortsetzen werde. In dieser Hinsicht begrüßte er das zwischen den gemeinsamen Gesetzgebern geschlossene Abkommen über das finanzielle Standbein des Plans, den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI). Der Ratsvorsitz werde "eine schnelle Verabschiedung der delegierten Rechtsakte für den Zeitplan des Fonds versichern", gab der Minister bekannt.

Finanzdienstleistungen

Eine weitere Priorität des Ratsvorsitzes sei der Sektor der Finanzdienstleistungen, wobei insbesondere die Kapitalmarktunion (CMU) "als absolute Priorität" betrachtet werde. Der Minister, der daran erinnerte, dass dieses ambitiöse Vorhaben ein sehr breites Spektrum abdecke und dass der diesbezügliche Plan der Kommission im Herbst vorgestellt werden würde, betonte insbesondere den schnellstmöglichen Fortschritt von zwei Dossiers: einen Vorschlag über Verbriefungen mit dem Ziel einer erhöhten Transparenz, Vereinfachung und besseren Qualität dieses Bereichs sowie die Revision der Prospekt-Richtlinie welche kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu den Kapitalmärkten erleichtern soll.

Über die CMU hinaus werde der Ratsvorsitz auf einen Ausbau der Reglementierung der Finanzdienstleistungen durch Beschleunigung der Verhandlungen über die Vorschläge über Referenzindexe und die  Versicherungsvermittlung  abzielen. Ebenso erklärte der Minister, er werde so bald wie möglich konstruktive Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über die Strukturreform des europäischen Bankensektors führen, nachdem es dem lettische Ratsvorsitz gelungen sei, bei der letzten Sitzung des Ecofin-Rats im Juni 2015 einen Konsens über die Position des Rats zu erzielen.

Steuerpolitik

Auch die Steuerpolitik stehe an oberster Stelle auf der Liste der Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes, und das Thema werde auf der Tagesordnung des informellen Treffens der Minister für Wirtschaft und Finanzen im September stehen, erinnerte Pierre Gramegna, für den "eine ausgewogene Steuerpolitik in unserer Union eine absolute Priorität" darstellt.

Für den Minister wird die Transparenz der Schlüssel auf diesem Gebiet sein, und die wesentliche Herausforderung wird darin bestehen, bis zum Ende der Ratspräsidentschaft zum Vorschlag über den Informationsaustausch über Steuer-Rulings  zu gelangen. Er brachte dennoch sein Bedauern über einen sehr langsamen Fortschritt zum Ausdruck, da die Diskussionen mehr neue Fragen aufwerfen als dass sie Klarheit bringen würden. Nach der Ansicht des Ministers ist dies "eine schwierige Frage", wobei er dennoch meinte, dass das Ziel erreicht sei.

Pierre Gramegna betonte im Übrigen auch, dass die Initiative der OCDE über das BEPS ("base erosion and profit-shifting"), deren Arbeiten im Herbst 2015 abgeschlossen werden, weiterhin eine Leitlinie für die Arbeiten zum Thema der Besteuerung in der EU bleiben müsste.  Es gehe darum, einen kohärenten Ansatz auf diesem Gebiet zu entwickeln, um so Transparenz und gerechte Spielregeln (ein "level playing field") auf globaler Ebene zu gewährleisten, fügte er hinzu. Denn wenn die EU es sich erlaube, auf diesem Gebiet ein Pionier zu sein, "muss sie auch gewährleisten, dass die anderen nachfolgen", so der Minister. Aus seiner Sicht "gibt es viel zu tun, um zu sehen, wie ein Teil der Empfehlungen in EU-Gesetzgebung umgesetzt werden kann".

Pierre Gramegna versicherte außerdem, dass im Rahmen des Vorsitzes weiter an einem künftigen Vorschlag für eine neue geänderte Richtlinie über die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) gearbeitet werde, deren Konzept leicht verständlich, jedoch schwer umsetzbar sei. Ebenso werde der Ratsvorsitz die Diskussionen über die Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren weiterführen.

Außerdem betonte der Minister, dass der Ecofin-Rat unter seinem Vorsitz eine sorgfältige Prüfung des Aktionsplans für eine gerechte und wirksame Besteuerung der Unternehmen erfolgen wird, welcher im Juni 2015 von der Kommission vorgelegt worden war. Der Minister erklärte, dass er eine Maßnahme in dieser Hinsicht zwar einerseits für notwendig hält, wobei er dennoch betonte, dass man streng darüber wachen müsse, dass die Integrität des Binnenmarkts, und insbesondere der freie Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit, garantiert würden.

In Bezug auf die Frage der geplanten Steuer auf finanzielle Transaktionen, die Gegenstand einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen 11 Mitgliedstaaten ist, wies Pierre Gramegna darauf hin, dass der luxemburgische Ratsvorsitz alles tun werde, um die Diskussionen zu erleichtern. Er werde auch alle Kräfte einsetzen, um sicherzustellen, dass sie transparent seien und dass alle Mitgliedstaaten einbezogen würden, während die Umsetzung des Vorhabens auch extra-territoriale Wirkungen haben könne, gab der Minister zu bedenken.

Pierre Gramegna wies ferner darauf hin, dass sich der Ratsvorsitz der Bedeutung der  21. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen zu den Klimaänderungen (COP21) bewusst sei, bezüglich dessen die Finanzminister die Position der EU hinsichtlich des Aspekts der Finanzierung definieren müssen. Das Thema werde auf der Tagesordnung des informellen Treffens der Minister für Wirtschaft und Finanzen am 11. und 12. September 2015 in Luxemburg stehen, fuhr er weiter fort.

Vertiefung der WWU

Abschließend kam der luxemburgische Minister auf die Krise in Griechenland zurück, die seiner Ansicht nach gezeigt habe, dass Europa stets fähig gewesen sei, auch in schwierigen Situationen Schritte nach vorne zu tun. Wenngleich die Verhandlungen auch nicht einfach gewesen seien, so zeige der geschlossene Kompromiss, der den Weg zu einem dritten Hilfsprogramm eröffnet, die Solidarität der EU, die mit ihrem Sinn für Verantwortung einhergehe, wiederholte der Minister.

Die Diskussion über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vor dem Hintergrund der Vorlage des sogenannten Fünf-Präsidenten-Berichts auf der Tagung des Europäischen Rats im Juni erreichten jetzt also "einen entscheidenden Augenblick", so Pierre Gramegna. Der Minister unterstrich, dass die griechische Krise der letzten Tage einen "Mangel an Systemen und Mechanismen in der WWU" habe offenkundig werden lassen.

Für den Minister zielt eine solche Vertiefung darauf ab, der EU mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, und so käme es vor allem darauf an, alles umzusetzen, was bereits beschlossen worden sei, insbesondere die Richtlinie über die Abwicklung bzw. Sanierung von Kreditinstituten, auch als EU-Abwicklungsrichtlinie (BRRD) bekannt, ebenso wie den Abwicklungsfonds (insbesondere die Frage der Überbrückungsfinanzierung für die interne Sanierung sowie die Frage der Sicherheitsnetze des Fonds) sowie das Einlagensicherungssystem. Was das Einlagensicherungssystem betrifft, so erinnerte Pierre Gramegna daran, dass dieses im aktuellen Kontext der verschiedenen nationalen Systeme kurzfristig durch ein Rückversicherungssystem verbessert werden könne, während ein wirkliches europäisches System zur Einlagensicherung erst mittelfristig in Betracht gezogen würde. Zu diesem Thema stehe ein Vorschlag seitens der Kommission derzeit noch aus.

Der Minister unterstrich im Übrigen die soziale Dimension in der WWU, "die geschaffen wurde, um das Leben der europäischen Bürger zu verbessern" und die der Ratsvorsitz keineswegs vernachlässigen werde, während er das ambitiöse Ziel eines "sozialen Triple-A" für die EU aufrechterhalten werde.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 15-07-2015