Eine ganze Reihe europäischer Institutionen und damit verbundener und verwandter Dienststellen haben ihren Sitz in Luxemburg oder sind zum Teil im Großherzogtum angesiedelt. Doch welche Einrichtungen sind das genau? Und wie und weshalb wurde Luxemburg neben Brüssel und Straßburg zu einem Sitz von europäischen Institutionen?
In seinen Memoiren beschrieb Jean Monnet, wie die Stadt Luxemburg als vorläufiger Arbeitsort ausgewählt wurde. Es ereignete sich in der Nacht vom 23. Juli 1952 in Paris, wo um drei Uhr morgens, nach langen Diskussionen über den Vertrag von Paris, der zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montanunion) führen sollte, "die Stimme von Joseph Bech [Minister für auswärtige Angelegenheiten des Großherzogtums] vernommen wurde, der bis dahin zu schlafen schien: ‚Ich schlage vor, dass die Arbeit sogleich in Luxemburg beginnt; dies gibt uns die Zeit, über das Weitere nachzudenken.‘ Jedermann war erleichtert und so bekam die Montanunion ihren vorläufigen Sitz in einer kleinen Stadt, die inzwischen zu einem Knotenpunkt Europas geworden ist."
Die Hauptstadt des Großherzogtums wurde so auch zum vorübergehenden Sitz der Hohen Behörde, des Beratenden Ausschusses und des Gerichtshofs der EGKS. Auch die Sitzungen des Besonderen Ministerrats fanden dort statt. Auch wenn die Tagungen der Gemeinsamen Versammlung in Straßburg abgehalten wurden, befand sich ihr Sekretariat in Luxemburg.
Was die Frage des Sitzes der Gemeinschaftsorgane anbelangt, gab es bis zu dem Zeitpunkt allerdings noch keine endgültige Regelung. Im April 1965 führte die Unterzeichnung des Vertrags über die Fusion der Exekutivorgane der drei Gemeinschaften (EGKS, EWG und EURATOM) zum Zusammenschluss des Großteils der Dienststellen des Rates und der Kommission in Brüssel. Luxemburg verlor also den Sitz der Hohen Behörde der EGKS, sicherte sich im Gegenzug jedoch die Präsenz der Justiz- und Finanzorgane. Im Beschluss im Anhang zum Fusionsvertrag wurde die Stadt Luxemburg neben Brüssel und Straßburg als vorläufiger Arbeitsort der Organe der Gemeinschaften genannt. Die Idee dahinter war, alle juristischen und finanziellen Kompetenzen und Tätigkeiten des gemeinschaftlichen Europas im Großherzogtum auf dem Kirchberg-Plateau zu konzentrieren.
Mit der Anerkennung mehrerer Sitze für die Gemeinschaftsorgane durch den Europäischen Rat in Edinburgh am 12. Dezember 1992 wurden die erworbenen Rechte von Brüssel, Luxemburg und Straßburg schließlich juristisch bestätigt. Durch das Protokoll Nr. 8 im Anhang zum Vertrag von Amsterdam von 1997 wurde der Beschluss von Edinburgh in den Europäischen Verträgen verankert.
Luxemburg ist Sitz des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz, des Rechnungshofs und der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zudem befinden sich hier das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments und einige Dienststellen der Kommission.
Während der Monate April, Juni und Oktober hält der Rat außerdem seine Sitzungen in Luxemburg ab.
Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht legt fest, dass Luxemburg auch Sitz des Berufungsgerichts und einer für Patentangelegenheiten zuständigen Kanzlei wird.
Darüber hinaus haben die Staats- und Regierungschefs während der Sitzung des Europäischen Rates im Dezember 2003 zugestimmt, dass "wenn eine europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet wird, sich ihr Sitz gemäß den Bestimmungen des Beschlusses vom 8. April 1965 in Luxemburg befinden wird". Dieser Beschluss besagt nämlich, dass "die Organe mit richterlichen und quasi-richterlichen Aufgaben [...] ebenfalls in Luxemburg untergebracht [werden]". Luxemburg fordert auf der Grundlage dieses Beschlusses, dass die zukünftige Europäische Staatsanwaltschaft, deren Einrichtung im Juli 2013 von der Kommission vorgeschlagen wurde, tatsächlich ihren Sitz in Luxemburg haben wird.
Zu guter Letzt wird es neben den juristischen und finanziellen Teilbereichen der europäischen Institutionen mit der Zusammenlegung der Datenzentren der Kommission ab 2019 in Luxemburg auch noch einen digitalen Teilbereich geben.
Trotz der wichtigen Erweiterung der EU um zahlreiche neue Mitgliedstaaten, die eine Einrichtung von europäischen Institutionen in ihren Ländern fordern, ist Luxemburg eine der EU-Hauptstädte geblieben. In Luxemburg sind rund 9 500 internationale Bedienstete angesiedelt. Dies entspricht knapp 5 % der dort ansässigen Erwerbsbevölkerung und fast 2,5 % der auf dem luxemburgischen Arbeitsmarkt Beschäftigten.
Die Regierung von Luxemburg und der Sitz der europäischer Institutionen
Die Regierung von Luxemburg hält es für sehr wichtig, dass die in Luxemburg angesiedelten europäischen Institutionen über optimale Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen verfügen. Die Erweiterung der EU hat in diesem Zusammenhang eine große Herausforderung dargestellt, da sie bereits zu einem großen Bedarf an zusätzlichen Gebäuden geführt hat.
Die Lebens- und Arbeitsqualität der europäischen Bediensteten hängt außerdem von anderen maßgeblichen Faktoren ab, wie etwa der Bereitstellung einer modernen und wettbewerbsfähigen Europäischen Schule, der Effizienz von Verkehrsverbindungen zu den Arbeitsorten sowie den günstigen Aufenthaltsbedingungen für die Ehegatten von ständigen Bediensteten. Vor diesem Hintergrund wurde zum Beispiel in Mamer eine zweite Europäische Schule gebaut und 2012 eröffnet. Ein weiteres sehr großes Bauprojekt, das gerade durchgeführt wird, ist das neue Verwaltungsgebäude des Europäischen Parlaments.
Es ist wichtig für die Regierung, den europäischen Institutionen einen zentralen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen, der stets ein offenes Ohr für ihre Bedürfnisse und Anliegen hat. Dieser Ansprechpartner ist der Koordinierungsausschuss zur Unterbringung der europäischen Organe und Einrichtungen. Er führt alle drei Wochen hochrangige Beamte aller zuständigen Verwaltungen zusammen, um diese europäische Präsenz in Luxemburg zu verwalten und alle damit zusammenhängenden praktischen Fragen zu erörtern.
Europäische Einrichtungen mit Sitz in Luxemburg
- das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments
- die Europäische Kommission mit Verwaltungseinheiten von 8 Generaldirektionen
- der Gerichtshof der Europäischen Union und das Gericht erster Instanz
- der Europäische Rechnungshof
- die Europäische Investitionsbank und der Europäische Investitionsfonds
- die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)
- der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)
- Eurostat, das Statistikamt der Europäischen Union
- das Amt für Veröffentlichungen, der offizielle Herausgeber von Veröffentlichungen der Union
- das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union
- die Exekutivagentur für Gesundheit und Verbraucher (EAHC)
- Euratom-Versorgungsagentur
( Quellen: Buch: Kaléidoscope, Luxembourg, Paul Cerf, "Les dossiers vierges de la place de Metz"; Buch: Grand-Duché de Luxembourg, "C’est au Luxembourg que tout a commencé")