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Konferenz „Digitale Wirtschaft: Bereit für die Jobs von morgen!“ – Die Experten disktutieren über die Investition in Humankapital

Der zweite Tag der Konferenz zum Thema „Digitale Wirtschaft: Bereit für die Jobs von morgen!“, die vom Ministerium für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission veranstaltet wurde, fand am 11. November 2015 in Luxemburg statt. Zu diesem Anlass wurde eine Expertenrunde eingeladen, um über die Investition in Humankapital in Anbetracht der aktuellen digitalen Revolution zu diskutieren. Der Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft Nicolas Schmit appellierte zum Abschluss der Konferenz zum Nachdenken über einen „digitalen New Deal“.

An der Diskussion nahmen der luxemburgische Minister für Bildung, Hochschulwesen und Forschung Claude Meisch und folgende fünf Experten teil: Renate Hornung-Draus, Vorsitzende des Ausschusses für soziale Angelegenheiten von BUSINESSEUROPE, Peter Scherrer, Stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB), Ana Carla Pereira, Referatsleiterin „Kompetenzen und Qualifikationen“ der GD Beschäftigung der Europäischen Kommission, Alexander Riedl, Referatsleiter in der GD CONNECT und Annamaria Leuzzi, Leiterin der Verwaltung des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Italien.

Die Bedeutung von Bildung und öffentlicher Infrastruktur für die Entwicklung der digitalen Kompetenzen des Einzelnen

MeischAusgehend von der Feststellung, dass 90 % der Arbeitsplätze im Jahr 2020 eine digitale Komponente haben werden und heute die Kompetenz der meisten Menschen in diesem Bereich nicht ausreichend entwickelt ist, einigten sich die Redner über die Notwendigkeit einer Stärkung der digitalen Kompetenzen des Einzelnen.

Claude Meisch bedauerte, dass die Bildungssysteme noch zu begrenzte Möglichkeiten haben, um jungen Menschen den Ausbau ihrer digitalen Kompetenzen zu ermöglichen. „Es kommt darauf an, das gesamte IT-Potenzial im Lernprozess zu nutzen“, erklärte er. Diesen Standpunkt teilte Renate Hornung-Draus von BUSINESSEUROPE, nach deren Meinung das größte Problem unserer Bildungssysteme darin liege, dass sie sich der Herausforderung der Digitalisierung nicht richtig stellen könnten. „Unser Bildungssystem und unser Ansatz für die Digitalisierung der Wirtschaft machen die Schüler zu Opfern der Technologie“, erläuterte sie und fügte hinzu, dass in diesem Zusammenhang sicherzustellen sei, dass die Schüler ihre sozialen und intellektuellen Fähigkeiten nicht verlieren.

Für Ana Carla Pereira liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Einrichtung von Partnerschaften zwischen Lehrkräften, Arbeitgebern und Schülern. Sie unterstrich die fundamentale Rolle der Ausbilder, die das Problem aus einer anderen Perspektive sähen als die Schüler. Auf der Konferenz wurde ebenso zu einer langfristigen Änderung der Lehrpläne aufgerufen. Für diese Lösung plädierte auch Annamaria Leuzzi, die im Übrigen auch die Bedeutung von Schulungen für Lehrer im Bereich der neuen Technologien hervorhob.

Alexander Riedl unterstrich seinerseits die Rolle der Weiterbildung. Er betonte: „Wir müssen jetzt handeln und nicht das Ende der Debatte abwarten, bevor wir Maßnahmen einleiten.“ Bei diesem Thema appellierte Renate Hornung-Draus, sich unter den Mitgliedstaaten über bewährte Praktiken auszutauschen. 

Peter Scherrer vom EGB hob die Notwendigkeit hervor, zu investieren und mehr Geld auf das Bildungswesen zu verwenden. „In Europa ist das Humankapital unser Gold“, so der Redner des Gewerkschaftsbunds. Dieser Punkt wurde von Claude Meisch aufgegriffen, der hinzufügte, dass ein Umdenken erforderlich sei, da es in Luxemburg mehr Psychologie-Studenten als Informatik-Studenten gebe. Annamaria Leuzzi warnte ihrerseits vor der Tatsache, dass wir Gefahr laufen, eine ganze Generation zu verlieren, wenn wir nicht genügend investierten.

Renate Hornung-Draus unterstrich ihrerseits die Rolle der öffentlichen Infrastruktur, wie z. B. den Zugang zum Internet, um Unternehmensgründungen zu erleichtern, während Peter Scherrer über eine neue Definition der Beschäftigung sprach, die durch die Technologie-Revolution herbeigeführt worden sei. Vor diesem Hintergrund müssten die politischen Entscheidungsträger die Sozialversicherungssysteme anpassen und ändern, so Scherrer.

Am Ende der Diskussion appellierte Claude Meisch, „eine entsprechende Stimmung bei den Bürgern zu erzeugen“. „Jeder soll an dieser digitalen Gesellschaft teilhaben“, so Meisch.

Die Herausforderung der Digitalisierung der Wirtschaft in eine Chance verwandeln

Der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger richtete eine Videobotschaft an die Zuhörer. Er sprach von einer vierten industriellen Revolution, die sowohl unsere Volkswirtschaften als auch unser Leben und unsere Arbeitsmärkte verändere. Vor diesem Hintergrund nannte der Kommissar drei große Projekte, um diese Veränderungen zu meistern.

Erstens sei aus seiner Sicht eine breite Debatte zu dem Thema erforderlich, um über die Herausforderungen und Chancen der digitalen Revolution zu diskutieren.

Auch müssten die Unternehmen die Chancen der Technologie in vollem Umfang wahrnehmen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn dies nicht geschehe, liefen sie Gefahr, an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen, warnte der Kommissar. Europa müsse der Kontinent der neuen digitalen Sieger werden, so der Kommissar.

Es gehe darum, auf die digitalen Kompetenzen zu setzen, um für die Arbeitsplätze von morgen bereit zu sein, erklärte Günther Oettinger und erinnerte daran, dass Schätzungen zufolge jedes Jahr ein Bedarf an 160.000 zusätzlichen Experten für neue Technologien in Europa bestehe. Gleichzeitig bedauerte der Kommissar die Tatsache, dass die Zahl der Informatik-Studenten stagniere. Aber es gehe nicht nur um Experten. Jeder müsse über digitale Kompetenzen verfügen, erklärte er, wobei er erläuterte, dass ein Drittel aller europäischen Arbeitskräfte nur über rudimentäre digitale Kenntnisse verfüge.

In diesem Zusammenhang haben Regierungen, öffentliche Politiken und Sozialpartner eine wichtige Rolle zu spielen. Jeder europäische Angestellte müsse in seiner Arbeitszeit Zugang zu IT-Schulungen haben, so der Kommissar, wobei er hinzufügte, dass hierzu auch nationale und regionale Partnerschaften erforderlich seien.

Abschließend erinnerte Günther Oettinger an die Notwendigkeit, Europa davon zu überzeugen, dass es die Herausforderung der Digitalisierung der Wirtschaft in eine Chance verwandeln könne. „Der einzige Weg ist die Zusammenarbeit. Wir haben keine Zeit zu verlieren“, so Oettinger.

Nicolas Schmit rief zu einem „digitalen New Deal“ auf

SchmitDer luxemburgische Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft Nicolas Schmit würdigte am Ende der Konferenz die „ganz neue, ermutigende und anregende“ Diskussion. „Wir haben viel über Angst und Unsicherheit gesprochen, aber wir müssen hart daran arbeiten, dieses Gefühl auszuräumen“, betonte er zu Beginn seiner Rede. „Die Technologiewelle rollt weiter voran, und wir können sie nicht stoppen“, fügte er hinzu und appellierte daran, im Interesse der Bürger einen Rahmen für diesen Fortschritt zu schaffen. Dafür sei eine „breite Bewegung in der Gesellschaft“ erforderlich, denn den politischen Entscheidungsträgern allein werde das nicht gelingen.

Der Minister bedauerte, dass sich die Arbeitsminister der EU in den sechs Jahres seines Mandats nicht mit dieser Entwicklung, die Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik, in der Arbeitsgesetzgebung und im juristischen Rahmen der EU mit sich bringe, befasst hätten. „Das ist eine enorme Herausforderung, die wir in jedem Fall annehmen müssen“, sagte er und rief den „Bedarf an Geld und Ressourcen“ sowie die Notwendigkeit in Erinnerung, sowohl in „Hardware“ als auch in „Software“ zu investieren.

Nicolas Schmit fügte hinzu, dass Bildung in diesem Kontext ein „Schlüsselaspekt“ bleibe und begrüßte die Initiative der Europäischen Kommission, eine Agenda für digitale Kompetenz zu erstellen. „Diese Entwicklung kann nur funktionieren, wenn die menschliche Seite funktioniert“, so Schmit.

Somit muss laut Nicolas Schmit „die Gesellschaft neu erdacht werden, da sich diese im Wandel befindet“. „Wir sind heute dabei, über die Industriegesellschaft hinauszuwachsen“, erklärte er und fügte hinzu, dass die Sozialpolitik und die sozialen Innovationen daher von höchster Bedeutung seien.

Die zweite große Herausforderung der digitalen Revolution sei die der Umverteilung des Mehrwerts, der durch die technologischen Veränderungen erzeugt werde. „Wir müssen ein nachhaltiges Wirtschaftssystem aufbauen“, erklärte der Minister. Daher müsse diesbezüglich über einen „digitalen New Deal“ nachgedacht werden. Wenn wir die digitale Revolution meistern und sie zum Erfolg für die Gesellschaft machen wollen, dann müssen wir möglichst viele Menschen daran beteiligen und, einem Bottom-up-Ansatz folgend, über die Rolle des Staates, der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner nachdenken, erklärte Nicolas Schmit abschließend.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 10-11-2015