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Konferenz „Family learning” - Marc Hansen betonte, wie wichtig das Lernen in der Familie sei, um „den Teufelskreis der Weitergabe von schlechter Lese- und Schreibfähigkeit und schulisches Versagen zwischen den Generationen zu unterbrechen”

Am 22. Oktober 2015 trafen sich einige europäische Verantwortliche und Akteure für Erwachsenenbildung in Luxemburg anlässlich einer Konferenz mit dem Titel “Family learning: Bewährte Praktiken in ganz Europa“. Diese Konferenz, die vom luxemburgischen EU-Ratsvorsitz organisiert wurde, erfolgt im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Agenda für Erwachsenenbildung („Adult learning”) und im strategischen Rahmen für allgemeine und berufliche Bildung 2020. Die Teilnehmer diskutierten über Politik und „bewährte Praktiken“ in Bezug auf Bildungsaktionen in der Familie in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.  Ziel dieser Bildungsaktionen in der Familie sei, es den Eltern zu ermöglichen, die Kinder und Jugendlichen beim Lernen zu begleiten, wobei sie selbst wieder an ihre Kenntnisse in der allgemeinen und beruflichen Bildung anknüpfen sollen.

In seinen einleitenden Worten betonte der luxemburgische Staatssekretär für Bildung, Kinder und Jugend, Marc Hansen, wie entscheidend die Rolle der Eltern und der Familie in der Erziehung und Bildung ihrer Kinder sei.

„Den Teufelskreis der Weitergabe von schlechter Lese- und Schreibfähigkeit und schulischem Versagen zwischen den Generationen unterbrechen”

Marc Hansen„In Luxemburg gibt es - wie in manch anderen europäischen Ländern - einen Teufelskreis der Weitergabe von schlechter Lese- und Schreibfähigkeit und schulischem Versagen zwischen den Generationen, den es zu unterbrechen gilt”, erklärte Marc Hansen als Einleitung. Zur Unterbrechung dieses Teufelskreises betonte er, wie notwendig ein integrierter Ansatz, eine Perspektive für ein lebenslanges Lernen und vor allem die Entwicklung einer Lernkultur in der Familie seien.

(Zur Erinnerung: die Lese- und Schreibfähigkeit ist nach der Definition der OECD „die Fähigkeit, Information in Schriftform zu verstehen und im alltäglichen Leben, zu Hause, an der Arbeit oder in der Gemeinschaft zu verwenden, um persönliche Ziele zu erreichen oder sein Wissen und seine Fähigkeiten zu erweitern.“ Anmerkung der Redaktion)

„Diese Notwendigkeit wurde uns im Übrigen durch die Schlussfolgerungen von zwei Europäischen Konferenzen im Rahmen unseres Ratsvorsitzes bestätigt”, ergänzte Marc Hansen. Er bezog sich dabei auf die Konferenz zur Thematik der Schulabbrecher, bei der deutlich wurde, wie notwendig es ist, die Eltern bei der Prävention des schulischen Versagens mit einzubeziehen, und ebenso auf die Konferenz zur Vielfalt und Mehrsprachigkeit in der Erziehung und der frühkindlichen Betreuung, bei der festgehalten wurde, dass die Förderung der Mehrsprachigkeit die Beteiligung der Eltern als primäre Erzieher des Kindes erfordere.

„All dies hilft Ihnen zu verstehen, warum Luxemburg das Family Learning an die erste Stelle bei der Durchführung der Europäischen Agenda für Erwachsenenbildung in Luxemburg (die die Prioritäten in der Europäischen Zusammenarbeit in Bezug auf die Politik in der Erwachsenenbildung für 2012 - 2020 definiert, Anmerkung der Redaktion) gesetzt hat”, sagte Marc Hansen.

Für Marc Hansen bedeutet die Umsetzung des Family Learning, dass eine Perspektive für ein lebenslanges Lernen und die Mobilisierung jeglicher Art von formalem, nicht formalem und informellem Lernen festgelegt wird. Es gehe darum, sich an die Kinder, die Jugendlichen und an deren Familien zu wenden, um das Lernen zwischen den Generationen zu fördern, wobei sämtliche Akteure in der Erziehung - in den Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder, in der Grund- und Sekundarstufe und in der Erwachsenenbildung - mobilisiert werden sollen.

Dieser Ansatz fügt sich seiner Meinung nach in die Ziele der Europäischen Bildungspolitik Europa 2020, in den strategischen Rahmen „Erziehung und Bildung 2020”, und in die Europäische Agenda für Erwachsenenbildung ein.

Angesichts der Umsetzung in Luxemburg erklärte Marc Hansen, dass es durch die offene Koordinierungsmethode und das Projekt der Erwachsenenbildung im Zusammenhang mit der Umsetzung der Agenda Adult Learning im Land möglich geworden sei, „den interinstitutionellen Ansatz des Family Learning, welches den spezifischen Bedürfnissen der Mehrsprachigkeit in Luxemburg entspreche, zu definieren und Konzepte und Bildungsinstrumente auszuarbeiten, die innerhalb der Betreuungseinrichtungen, der Schulen, der Gymnasien und der Erwachsenenbildung anwendbar seien”. Dadurch habe man auch schnell auf die spezifischen Bedürfnisse reagieren können, die mit der Ankunft der Flüchtlinge aufgetreten seien, sagte er.

Martina Ni-Cheallaigh betont die Bedeutung des Voneinanderlernens und des Austauschs von bewährten Praktiken zwischen den Staaten im Zusammenhang mit der offenen Koordinierungsmethode

Martina Ni-Cheallaigh von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission hat ihrerseits daran erinnert, dass in der EU 60 Millionen Menschen nicht die in unserer Gesellschaft erforderlichen Kompetenzen besäßen. Das sei in ihren Augen dramatischer als die tendenzielle Vervielfältigung der sozialen Ungleichheiten. „Die Diskrepanzen zwischen den gebildeten und weniger gebildeten Familien zeigen, dass umfangreiches Lernen in der Familie stattfindet”, mahnte sie.

Martina Ni-Cheallaigh erklärte anschließend, dass  die EU über keine Politik in Bezug auf das Lernen in der Familie verfüge.

Das Lernen in der Familie sei dennoch wichtig für die Verwirklichung der neuen Prioritäten, die vor kurzem von der Kommission für den strategischen Rahmen Erziehung und Bildung 2020 vorgeschlagen wurden, welche im November vom Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport verabschiedet würden.

Schließlich betonte die Rednerin, wie wichtig das Voneinanderlernen und der Austausch von bewährten Praktiken zwischen den Staaten bezüglich des Lernens in der Familie seien. „Dieser Bereich fällt unter die offene Koordinierungsmethode:  die Staaten sind für ihre eigenen Bildungssysteme verantwortlich”, erklärte sie, bevor sie weiter ausführte, dass die Kommission sie dennoch bei ihrem Austausch der bewährten Praktiken und beim Voneinanderlernen unterstützen könne.

Künstliche Barrieren zwischen dem formalen, non formalen und informellen Lernen einreißen

Ulrike HanemannUlrike Hanemann vom UNESCO-Institut für Lebenslanges Lernen betonte ebenfalls, wie wichtig es sei, das Lernen in der Familie und die Ansätze für Bildung zwischen den Generationen zu fördern. Diese Form des Lernens ermögliche ihrer Meinung nach, das Lernen zu berücksichtigen, welches außerhalb der Schule stattfindet, und „die künstlichen Barrieren zwischen dem formalen, nicht formalen und informellen Lernen einzureißen”. Sie habe den Vorteil, zur gleichen Zeit die Alphabetisierung der Eltern und der Kinder zu fördern, und könne vor allem das Versagen in der Schule verhindern.

Angesichts der 17 neuen Ziele für die nachhaltige Entwicklung (SDG), die von den Mitgliedstaaten der UNO beim Gipfel über die nachhaltige Entwicklung am 25. September verabschiedet wurden, erklärte Ulrike Hanemann, dass das Lernen in der Familie sich nicht nur an das Bildungsziel anpasse, sondern auch an andere Ziele, wie zum Beispiel die Bekämpfung der Armut, wo es darum gehe, den Teufelskreis zwischen Grundschulbildung auf niedrigem Niveau und sozialer Unsicherheit zu unterbrechen.

Es gibt kein Universalmodell für das Lernen in der Familie – wir ermutigen die Länder dazu, ihr eigenes Modell zu entwickeln, das an ihren spezifischen Kontext angepasst ist”, fuhr die Rednerin fort. „Die Programme unterscheiden sich je nach dem festgelegten institutionellen Rahmen und den verwendeten pädagogischen Modellen. Manche Programme haben ihren Schwerpunkt auf dem Kind, andere auf den Erwachsenen oder auf beiden gleichzeitig. Manche finden beim Kind zu Hause statt, andere in den Schulen, in Bibliotheken, an Arbeitsplätzen, in Turnhallen oder sogar in Gefängnissen”, führte sie weiter aus.

Ulrike Hanemann machte dann darauf aufmerksam, dass die meisten Lernprogramme von den NGOs geleitet würden, daher stelle sich ihrer Meinung nach  ein Finanzierungsproblem in zahlreichen Ländern.

Hinsichtlich ihrer konkreten Umsetzung handele es sich in den meisten Fällen um Programme in Bezug auf Vorschulen, Grundschulen und in Gemeindezentren. Kinder und Eltern werden getrennt voneinander unterrichtet, und in einem weiteren Schritt unternehmen sie etwas gemeinsam, wie zum Beispiel, ein Buch zu lesen, ein Museum oder eine Bibliothek zu besuchen usw. Durch diese Unternehmungen können im Übrigen die Beziehung zwischen Eltern und Kindern gestärkt, und vor allem „die emotionale Komponente, die beim Lernen sehr wichtig ist, berücksichtigt werden“.

Schließlich verwies Ulrike Hanemann auf die gemeinsamen Herausforderungen der „Länder im Norden“ und „im Süden“ in Bezug auf das Lernen in der Schule: beispielsweise auf die Tatsache, dass die Programme oft einen „defizitären“ Ansatz bemühten, anstatt sich auf die vorhandenen Stärken zu stützen und das erzieherische Potenzial der Eltern und anderer Familienmitglieder zu mobilisieren; die Notwendigkeit, Eltern mit einer niedrigen Schulbildung für die Bildung ihrer Kinder und für ihre eigenen Bildung zu sensibilisieren; die Tatsache, dass die Schulen oft isoliert arbeiten, ohne Verbindungen zur Umgebung des Kindes zu knüpfen; oder auf die Tatsache, dass die Regierungen oftmals einheitliche Lösungen bevorzugten, ohne die Verschiedenartigkeit der Bedürfnisse, der Zielgruppen oder der Hintergründe zu berücksichtigen.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 22-10-2015