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Die Herausforderungen der europäischen Entwicklungshilfe nach 2015 stehen am ersten Tag einer internationalen Konferenz in Luxemburg im Mittelpunkt

conf-eca-dev-scheider-caldeiraIm Rahmen des Europäischen Jahres der Entwicklung veranstaltete der Europäische Rechnungshof (EuRH) in Zusammenarbeit mit dem luxemburgischen EU-Ratsvorsitz am 20. und 21. Oktober eine internationale Konferenz zur europäischen Entwicklungspolitik in Luxemburg. Im Lauf des ersten Tages der Konferenz diskutierten hochrangige Vertreter der europäischen Institutionen, der Vereinten Nationen, der OECD und nationaler Entwicklungsagenturen vor dem Hintergrund der Verabschiedung der Agenda 2030 und der neuen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) über die Zukunft der Entwicklungshilfe nach 2015.

In seiner Eröffnungsrede erinnerte der Präsident des Europäischen Rechnungshofes, Vítor Caldeira, daran, dass man im Jahr 2015, das für den Abschluss der Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDGs) sowie für die Verabschiedung der Agenda 2030 und der SDGs durch die Mitgliedstaaten der UNO während des UN-Gipfels zur nachhaltigen Entwicklung in New York im September 2015 steht, gesehen habe, „wie sich die Welt im Hinblick auf eine weltumfassende Bekämpfung der Armut und für eine nachhaltige Entwicklung zusammengeschlossen hat“.

Vítor Caldeira verwies auf „die große Herausforderung“, die diese Ziele darstellen, sowie auf die Notwendigkeit, sofort zu handeln. „Die Industrieländer und die Entwicklungsländer müssen besser denn je zusammenarbeiten, um friedliche und wohlhabende Gesellschaften aufzubauen“, erklärte er.

Zur Bewältigung der Herausforderungen sind Finanzmittel aus unterschiedlichen Quellen notwendig

Romain Schneider, Minister für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten, betonte, wie wichtig es sei, „neben manchmal zu abstrakten Aufrufen zu internationaler Solidarität“ den Bürgern und institutionellen Akteuren besser zu erklären, weshalb die Entwicklungszusammenarbeit die Verantwortung eines jeden Einzelnen sei. Eine Zusammenarbeit liege nämlich in Wirklichkeit „in unser aller Interesse“. Er vertrat die Auffassung, dass die Instabilität einiger Regionen „uns zu verstehen geben müsste, dass es notwendig ist, dort zu handeln, wo Krisen, Hunger und Hoffnungslosigkeit herrschen“, und nahm damit Bezug auf die Migrationskrise in der EU.

Der Minister kam auf die im Jahr 2015 veranstalteten internationalen Konferenzen zu sprechen, primär auf jene in Addis Abeba (Äthiopien) im Juli 2015, bei der eine Agenda für die Entwicklungsfinanzierung festgelegt wurde. „Es sind Finanzmittel aus unterschiedlichen, d. h. aus öffentlichen, privaten und gegenseitig komplementären Quellen, nötig, um die Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen“, betonte der Minister, der der Ansicht ist, dass die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance – ODA) „hierbei von großer Bedeutung ist und ein wichtiges Element bleiben wird“. Infolgedessen „wird Luxemburg an seiner Unterstützung in Form von 1 % des BNE festhalten“, erklärte er und merkte an, dass es auch darum gehe, die Kohärenz der politischen Linien sicherzustellen, um die Wirksamkeit der Hilfe zu gewährleisten.

Die neue, in New York verabschiedete Agenda 2030 reiht sich seiner Meinung nach, „wegen ihrer Absicht, eine weltweit gültige und umfassende Botschaft zu vermitteln, in die Riege der großen Gründungsakte der Vereinten Nationen“ ein, so der Minister, der auf die Hervorhebung des Nachhaltigkeitscharakters in seinen drei Dimensionen – wirtschaftlich, ökologisch und sozial – in den SDGs verwies. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit, die als „fundamental für die Gewährleistung des nachhaltigen Wohlstands und Wohlergehens aller innerhalb der Grenzen unseres Planeten“ gilt, soll die Agenda 2030 angemessene Arbeitsbedingungen für alle, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung und sozialen Schutz für alle gewährleisten, bekräftigte er.

Nun geht es darum, diese SDGs zu verwirklichen, führte er weiter aus und merkte an, dass die technischen Arbeiten bezüglich der Indikatoren im März 2016 abgeschlossen sein werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen sich vor diesem Hintergrund „eine Methode und die Mittel für die Verwirklichung dieser Ziele zurechtlegen“, so der Minister. Darüber werden die Entwicklungs- und Umweltminister auf der Tagung des Rates „Umwelt“ am 26. Oktober in Luxemburg diskutieren, fügte er an.

Romain Schneider ist der Meinung, dass die Konferenzen im Juli und September eine gute Grundlage für die Pariser Konferenz zum Klimawandel (COP 21) bilden. Dies wird „das letzte große Treffen sein, das einen entscheidenden Einfluss haben wird – nicht nur, sondern auch auf die Entwicklungsländer“, merkte er an.  „Der universelle und globale Charakter der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erfordert Maßnahmen, die über unsere herkömmlichen Schemata hinausgehen, um diese neue Kohärenz und Komplementarität mit den Regierungen, der Privatwirtschaft, der Zivilgesellschaft und jedem Einzelnen in diesem Sinne der Integrität zu finden“, fügte er hinzu.

Transparenz und Verantwortlichkeit sind für den Erfolg der SDGs von zentraler Bedeutung

Der EU-Kommissar für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, Neven Mimica, begrüßte seinerseits den universellen Charakter der Agenda 2030, die keine traditionelle Unterscheidung zwischen Geber- und Empfängerländern vornimmt und „unsere geteilte Verantwortlichkeit und unser gemeinsames Schicksal“ anerkennt.

Der EU-Kommissar verwies insbesondere auf die Tatsache, dass die Verantwortlichkeit („accountability“) der Staaten, d. h. die Notwendigkeit, Rechenschaft abzulegen, für eine erfolgreiche Verwirklichung der SDGs von zentraler Bedeutung sei. „Offenheit, Transparenz und Verantwortlichkeit sind für jede Etappe der Umsetzung der neuen Agenda von unschätzbarem Wert“, erklärte der EU-Kommissar, der der Ansicht ist, dass nur eine solche Vorgehensweise eine ehrliche Bewertung der Erfolge und Misserfolge der SDGs ermöglichen werde. Es wird auch darum gehen, nicht nur die Regierungen, sondern alle Anspruchsgruppen einzubeziehen, erklärte er.

Das Jahr 2015 ist ein Schlüsseljahr für die Entwicklung

Linda McAvan, Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments, begrüßte die Initiative, die das Jahr 2015 zum Europäischen Jahr der Entwicklung gemacht hat, denn dies ermögliche es, verstanden zu werden und folglich öffentliche Hilfen zu erhalten. Die Europaabgeordnete bezeichnete das Jahr 2015 außerdem als „Schlüsseljahr“ für die Entwicklung und nannte die zahlreichen Veranstaltungen in diesem Bereich, die für diese zwölf Monate vorgesehen waren: die Konferenz in Addis Abeba, der UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung und die COP 21, bei der ein globales Klimaschutzabkommen erzielt werden soll.

Linda McAvan erinnerte daran, dass nur vier EU-Länder das Ziel, 0,7 % ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) der Entwicklungshilfe zu widmen, tatsächlich erreicht hätten. Die Europaabgeordnete plädierte für eine Erhöhung der Steuereinnahmen bei Unternehmen in den Industrieländern und außerhalb der EU. Sie warf auch die Frage in Bezug auf den Mangel an privaten Investitionen in den Entwicklungsländern auf, durch den diese Länder folglich nicht in der Lage seien, Einnahmen zu erwirtschaften.

Was die 17 SDGs anbelangt, die Ende September 2015 in New York festgelegt wurden, sprach die Europaabgeordnete von einem „Wendepunkt“ im Vergleich zum Ansatz, der die Festlegung der MDGs im Jahr 2000 ermöglicht hatte. Da diese MDGs nur für die Entwicklungsländer galten, sei der universelle Wert der SDGs höher und sie gelten für alle Länder gleichermaßen, erklärte sie.

Die SDGs bieten globale Lösungen für globale Herausforderungen

Grete Faremo, die Exekutivdirektorin des Büros der Vereinten Nationen für Projektdienste (UNOPS) kam auf die 8 MDGs zu sprechen, die sie als „extrem ehrgeizig“, wenn nicht sogar „unrealistisch nach Auffassung mancher“ bezeichnete. Obwohl die MDGs zum Ziel hatten, dem Hunger in der Welt, den Infektionskrankheiten, dem Bildungsmangel und auch der mangelnden öffentlichen Hygiene ein Ende zu bereiten, muss man heute feststellen, dass die ersten fünfzehn Jahre des Jahrhunderts in den Großregionen der Welt alles andere als friedlich waren, so die Rednerin. „Der Gelegenheitseffekt, den man am Tag der Jahrhundertwende gesehen hatte, wurde in zahlreichen Regionen der Welt durch Sorge, Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst ersetzt“, fügte sie hinzu.

Die MDGs konnten dennoch zum großen Teil gewisse Erfolge verzeichnen, rief sie in Erinnerung und nannte insbesondere die Bereiche Gesundheit und Sicherheit von Kindern, Gleichstellung der Geschlechter in der Grundschulbildung, Kinder- und Müttersterblichkeit sowie den Zugang zu Trinkwasser.

Grete Faremo zufolge liegt der Unterschied zu den MDGs in der Tatsache, dass die SDGs globale Lösungen für globale Herausforderungen bieten, die sowohl die Länder in Europa als auch den Rest der Welt betreffen, und zwar unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Bildung, nachhaltige Energie, integratives Wirtschaftswachstum, Qualität der Umwelt und fairer Handel.

Die Rednerin rief außerdem dazu auf, unsere Auffassung bezüglich der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) zu ändern, die in ihrem traditionellen Verständnis mit Wohltätigkeit und Hilfe gegenüber den am stärksten Benachteiligten in fernen Ländern assoziiert wird, und zwar durch das Teilen unseres kollektiven Überschusses. Es ginge nun vor allem darum, Investitionen in unseren direkten Nachbarländern zu finanzieren, erklärte sie und nahm damit Bezug auf die Länder, aus denen die Migranten und Flüchtlinge stammen, die im Verlauf der letzten Jahre nach Europa gekommen sind. „Es geht heute nicht mehr um Wohltätigkeit, sondern vielmehr darum, eine Reihe von gemeinsamen Zielen zu erreichen, die wir alle anstreben; es geht darum, in unsere gemeinsame Zukunft zu investieren“, fügte sie hinzu.

Grete Faremo betonte außerdem, wie wichtig die private Finanzierung in Bezug auf die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) sei, um die SDGs zu erreichen. Die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) solle dazu dienen, private Investitionen für die nachhaltige Entwicklung mitzuziehen, präzisierte sie. Die Rednerin forderte die EU dazu auf, den Weg für die Agenda 2030 zu bereiten. Die EU solle hierfür Kontakt mit ihren Partnern aufnehmen, um mit Hilfe der verschiedenen Agenturen, Fonds und Organisationen der Vereinten Nationen neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit und Umsetzung ausfindig zu machen.

Abschließend räumte Grete Faremo ein, dass es nicht leicht sein werde, die SDGs bis 2030 zu erreichen. Wenn man jedoch gemeinsam daran arbeiten würde sowie offen für neue Methoden und innovative Technologien sei, werde es einfacher sein, die globalen entwicklungspolitischen und humanitären Herausforderungen zu bewältigen.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 20-10-2015