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Hochrangige Ebola-Konferenz – die Lehren für eine bessere Vorbereitung der EU auf zukünftige Epidemien

Die Gesundheitsminister sowie hochrangige Vertreter der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und von Nichtregierungsorganisationen trafen sich am 12. Oktober 2015 in Mondorf-les-Bains (Luxemburg) zu einer dreitägigen Konferenz mit dem Thema „Welche Lehren werden für die öffentliche Gesundheit aus der Ebola-Epidemie in Westafrika gezogen – wie kann sich die EU besser vorbereiten und auf zukünftige Epidemien reagieren?“. Die luxemburgische Gesundheitsministerin Lydia Mutsch sprach das Grußwort und überreichte dann nach einer ersten Diskussionsrunde den Europäischen Gesundheitspreis an verdienstvolle Nichtregierungsorganisationen für ihr Engagement im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika, bei der 2014/2015 mehr als 11.000 Menschen starben und über 28.000 infiziert wurden.

„Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit ist für die Erhöhung der Gesundheitssicherheit in der EU von entscheidender Bedeutung“, erklärte Lydia Mutsch

conf-ebola-mutschAuch wenn die Ebola-Situation unter Kontrolle zu sein scheine, müsse man wachsam bleiben, forderte die luxemburgische Gesundheitsministerin Lydia Mutsch in ihrer Eröffnungsrede bei der Konferenz. „Wir wissen nicht, wann die nächste Epidemie über uns hereinbricht, aber in jedem Fall wissen wir, dass die bereichsübergreifende Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist, wenn wir die Gesundheitssicherheit in der Europäischen Union erhöhen wollen“, erläuterte sie.

Die Ministerin betonte, die Ebola-Epidemie habe „nicht nur negative“ Auswirkungen gehabt. Erstens habe Ebola die Entwicklung neuer Ansätze für den Umgang mit einer Krise in der EU, bei denen Behörden der Bereiche Gesundheit, Forschung, Entwicklung und Militär zusammenarbeiten, ermöglicht. Diese Akteure konnten laut Lydia Mutsch während der Epidemie die Anwendung des Beschlusses zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren testen, der im Oktober 2013 verabschiedet wurde.

Zudem lobte die Ministerin die Koordinationstreffen auf EU-Ebene, die während der Epidemie stattfanden. Sie ging besonders auf die Treffen des Notfallabwehrzentrums (ERCC) mit dem Ausschuss für Gesundheitssicherheit ein. Lydia Mutsch zufolge sind diese Treffen von „grundlegender“ Bedeutung, um die Minister über die jüngsten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und die notwendigen Voraussetzungen für fundierte Entscheidungen zu schaffen.

Zweitens habe Ebola ermöglicht, die Bedeutung der Solidarität gegenüber den betroffenen Ländern, aber auch zwischen den europäischen Staaten hervorzuheben. In diesem Zusammenhang nannte die Ministerin das Beispiel der Kooperationsverträge, die Luxemburg mit zwei anderen Mitgliedstaaten abgeschlossen hat, sodass Patienten mit dem Verdacht auf eine Ebola-Infektion dorthin geschickt werden könnten, falls die landeseigenen Kapazitäten überlastet wären.

„Die Ebola-Epidemie hat als Test für Europa gedient“, meinte Vytenis Andriukaitis

conf-ebola-andriukaitisDer EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, hob hervor, dass Ebola als Test für den Vorbereitungsstand der EU hinsichtlich des Rahmens gedient habe, der durch den Beschluss zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren eingeführt wurde.

Dem EU-Kommissar zufolge habe Ebola „uns gelehrt, auf welche Weise wir uns besser auf zukünftige Epidemien vorbereiten können“, in der Zukunft sei es jedoch unbedingt notwendig, gefährdeten Ländern dabei zu helfen, allen Menschen eine medizinische Versorgung anzubieten, und zwar beginnend mit hygienischen Mindeststandards und Impfungen. Es müssen aber auch die primären Ursachen, nämlich die mangelnde Aufklärung, die Fehlinterpretationen und die Stigmatisierung, bekämpft werden, so der EU-Kommissar.

Vytenis Andriukaitis rief die Mitgliedstaaten dazu auf, wachsamer zu sein. „Wir brauchen vor diesem Hintergrund mehr Kooperation und Austausch, und dafür müssen wir alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen“, erklärte er. Hier nannte er die Vereinbarung über die gemeinsame Beschaffung von medizinischen Gegenmaßnahmen, die es den EU-Ländern ermöglicht, gemeinsam (und nicht mehr individuell) pandemische Impfstoffe und andere medizinische Gegenmittel zu erwerben.

Vytenis Andriukaitis erinnerte an die Bedeutung der Prävention, denn „übertragbare Krankheiten entwickeln sich, wenn alle Voraussetzungen dafür gegeben sind“, und erwähnte in diesem Zusammenhang die Rolle von Impfungen.

Schließlich sei auch eine bessere Koordination notwendig, und wir müssten „alle Beteiligten einbeziehen, wenn es darum geht, eine Krise zu bekämpfen“. Der EU-Kommissar forderte die Strukturen für humanitäre Hilfe und die Gesundheitsstrukturen zu einer engen Zusammenarbeit auf.

Laut Christos Stylianides ließ die weltweite Antwort auf Ebola „stark zu wünschen übrig“

conf-ebola-stylianidesChristos Stylianides, Koordinator der Europäischen Union für den Kampf gegen Ebola, betonte in seiner Rede die gemeinsame Verantwortung der internationalen Gemeinschaft bei Epidemien wie Ebola, und bekräftigte, dass es zukünftig weitere Epidemien geben werde, insbesondere als Folge des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung.

Seiner Einschätzung nach ließ die weltweite Antwort auf Ebola „stark zu wünschen übrig“. Er betonte insbesondere, dass „während mehrerer Monate“ nur eine einzige Organisation (Ärzte ohne Grenzen) die „schwierige Aufgabe“ übernommen habe, nach dem Beginn der Epidemie im März 2014 die internationale Gemeinschaft zu mobilisieren. Der EU-Kommissar lobte die „bemerkenswerte Arbeit“ von Ärzte ohne Grenzen, und betonte, Ärzte ohne Grenzen dürfe nie wieder die Rolle des „Lückenfüllers“ zufallen.

Christos Stylianides forderte die internationale Gemeinschaft auf, nicht in Selbstgefälligkeit zu verfallen. „Wir nähern uns null Fällen, aber wir haben dieses Ziel noch nicht erreicht“, unterstrich er. Die WHO hatte am 7. Oktober 2015 verkündet, dass im letzten epidemiologischen Wochenbericht kein einziger neuer Fall von Ebola bestätigt worden sei, was seit März 2014 nicht mehr vorgekommen war.

Der EU-Kommissar lobte hingegen die rasche Mobilisierung von finanziellen Mitteln. Ihm zufolge haben die EU und die Mitgliedstaaten zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Davon stammten 900 Millionen von der Europäischen Kommission. Außerdem lobte er das Engagement bestimmter Länder in den drei betroffenen Staaten (Frankreich in Guinea, die USA in Liberia und das Vereinigte Königreich in Sierra Leone) sowie den Beitrag der Afrikanischen Union und von Kuba.

Christos Stylianides dankte Luxemburg für die Bereitstellung von zwei Spezialflugzeugen der Organisation „Luxembourg Air Rescue“ (LAR) an dem europäischen Zivilschutzmechanismus für die Rückführung von infizierten Personen sowie Deutschland für die Bereitstellung eines Flugzeugs. Dank dieses „MEDEVAC“-Systems (Abtransport aus gesundheitlichen Gründen) konnten 16 Personen zurücktransportiert werden, berichtete der EU-Kommissar und betonte die Notwendigkeit, dieses System für den Fall zukünftiger Krisen aufrechtzuerhalten.

Außerdem betonte er das Erfordernis, für den Fall zukünftiger Krisen den raschen Einsatz der vier mobilen Labore sicherzustellen; das erste davon war während der ersten Woche der Ebola-Epidemie in Guinea aufgebaut worden.

Demgegenüber verwies der EU-Kommissar auch auf die „immensen Schwierigkeiten“, im Dezember 2014, also lange nach Beginn der Epidemie, medizinisches Personal zu mobilisieren. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei um die wichtigste Lehre aus der Epidemie, und er plädierte infolgedessen für ein „europäisches medizinisches Korps“, das in den europäischen Zivilschutzmechanismus integriert wäre.

Dieser letzte Punkt wurde von der Generaldirektorin der WHO, Margaret Chan, bestätigt, die angab, man habe die im Laufe mehrerer Wochen mobilisierten medizinischen Teams an einer Hand abzählen können, ganz im Gegensatz zu den etwa einhundert Teams, die nach dem Erdbeben in Nepal mobilisiert wurden.

Margaret Chan spricht von einer „schlecht vorbereiteten“ internationalen Gemeinschaft

conf-ebola-chanMargaret Chan beklagte die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft auf Epidemien wie Ebola „schlecht vorbereitet“ sei, und vertrat die Auffassung, es habe sich nicht um die denkbar schlimmste Epidemie gehandelt. Die WHO-Direktorin unterstrich in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, die WHO zu reformieren, insbesondere im Bereich der Finanzierung, die „vorhersehbarer“ sein müsse, damit man schnell auf eine Krise reagieren könne.

Daraufhin betonte Margaret Chan, dass es erforderlich sei, in widerstandsfähige und solide Gesundheitssysteme zu investieren. Derartige Systeme stellen ihrer Meinung nach die Grundlage für die Verwirklichung der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) dar, die im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

Allerdings beklagte die WHO-Direktorin, dass nur ein Drittel der 194 Länder, die die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV bzw. engl. IHR) der WHO im Jahr 2005 unterschrieben haben, die Mindestvorschriften auch erfüllten. Ihr zufolge konnten Länder wie Senegal, Mali oder Nigeria, die einen gewissen Vorbereitungsgrad aufwiesen, im Vergleich zu Ländern, die keine Möglichkeit zur Isolation von infizierten Patienten hatten, oder im Vergleich zu Liberia, das bei einer Bevölkerung von vier Millionen Menschen nur über 250 Ärzte verfügt, die Epidemie besser bewältigen.

Margaret Chan betonte außerdem die Notwendigkeit, das Virus schnell zu erkennen, und das Erfordernis von Transparenz. Sie beklagte, gewisse Regierungen hätten nicht „den Mut“ gehabt, Infektionen zu melden. 

Der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe unterstrich ebenfalls, wie wichtig eine  vollständige Umsetzung der IGV sowie solide Gesundheitssysteme seien. Seiner Einschätzung nach ist eine „grundlegende“ Reform der WHO erforderlich, damit sie als „einzige internationale Organisation mit politischer Legitimität“ ihre Rolle als „Wächterin der Gesundheit“ wahrnehmen kann. Der Minister, dessen Land derzeit den G7-Vorsitz innehat, erinnerte daran, dass die G7 sich bei ihrem Gipfel in Elmau (Bayern) im Juni 2015 dazu verpflichtet hätten, fünf Jahre lang 60 Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, sich besser auf mögliche Epidemien vorzubereiten.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 12-10-2015