Territoriale Zusammenarbeit
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25 Jahre Interreg – Aufruf zur Weiterentwicklung der Grenzregionen und zur Verringerung von bürokratischen Hürden

Interreg 25 years Der luxemburgische Ratsvorsitz veranstaltete am 15. und 16. September 2015 in Esch-Belval eine Konferenz anlässlich des 25. Jahrestags des Programms Interreg. Bei dieser Veranstaltung, die gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Programm INTERACT organisiert wurde, ließen rund 30 Redner die Geschichte von Interreg Revue passieren und stellten mehrere Beispiele der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor. Interreg, auch bekannt unter der Bezeichnung Europäische Territoriale Zusammenarbeit, ist ein Finanzierungsinstrument des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Förderung von grenzüberschreitenden Kooperationen.

François Bausch, der luxemburgische Minister für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur, lobte Interreg als ein Programm, das „erfolgreich dazu beigetragen hat, die Zusammenarbeit und Partnerschaften auszubauen“. Er erinnerte daran, dass Luxemburg in den 1990er Jahren Interreg nutzte, um mit einem spezifischen Programm für den Hochwasserschutz und das Management des Wassereinzugsgebiets der Flüsse Rhein und Maas den dortigen Überschwemmungen Herr zu werden. Außerdem kündigte der Minister an, dass die Ergebnisse dieser Konferenz an den am 17. und 18. November 2015 tagenden Rat für Allgemeine Angelegenheiten übermittelt würden.

Corina Creţu, die EU-Kommissarin für Regionalpolitik, sprach sich in ihrer Rede für eine Vereinfachung der Verwaltung aus und wies insbesondere auf die „Hürden und Lasten administrativer Art“ bei grenzüberschreitenden Aktivitäten hin. In diesem Zusammenhang kündigte die Kommissarin zudem an, dass die Europäische Kommission ab dem 21. September eine öffentliche Konsultation zu den Hindernissen in Grenzregionen durchführen werde. „Unsere Zukunft basiert auf einer verstärkten Zusammenarbeit“, betonte sie. Laut der Kommissarin beruht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf fünf Pfeilern: einem Klima des Vertrauens, der Vernetzung, einer gesunden Umwelt, der Risikoprävention sowie auf Wachstum und Beschäftigung.

Nach diesen Eröffnungsreden wurde die Konferenz dazu genutzt, die Geschichte von Interreg Revue passieren zu lassen und mehrere Beispiele der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorzustellen. Mehrere Redner betonten die Bedeutung des Austauschs im Bereich statistischer Daten und bedauerten den Mangel an Daten und die fehlende Harmonisierung bei der Datenerhebung, vor allem im Bereich der Umwelt. Eine andere Rednerin bedauerte die „bescheidene Finanzierung“ für ein so großes Gebiet. Es sei daran erinnert, dass sich das Interreg-Budget laut der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2014 bis 2020 auf 10 Mrd. Euro beläuft und etwa 100 Projekte umfasst.

Gesundheit, Beschäftigung, Infrastrukturen und Umwelt: Beispiele für Interreg-finanzierte Projekte

25 ans d'InterregJean-Christophe Victor, Gründer und Moderator der Arte-Sendung „Mit offenen Karten“, zeigte eine Sondersendung zur Geschichte von Interreg. Er sprach insbesondere das Beispiel des Hôpital de Cerdagne an, das ein in Frankreich und Spanien gelegenes Hochgebirgsgebiet mit einer Bevölkerung von 32.000 Einwohnern und großen Touristenströmen versorgt. Dieses 2014 eröffnete Krankenhaus wird gemeinsam von den öffentlichen Gesundheitssystemen der beiden benachbarten Länder betrieben. 60 % der Kosten für den Bau der Einrichtung, die sich auf 31 Mio. Euro beliefen, wurden von Interreg bereitgestellt.

Ein weiteres Beispiel betrifft den schwedischen Ort Haparanda und dessen finnische Nachbarstadt Tornio. Die beiden Orte haben aufgrund ihrer gemeinsamen Geschichte beschlossen, in den Bereichen Infrastruktur, Rettungsdienst, Sport und Bildung zusammenzuarbeiten und eine gemeinsame Touristeninformation einzurichten. Auch die Brücke, die die französische Stadt Straßburg mit der deutschen Stadt Kehl verbindet, wurde von Interreg finanziert.

In der darauf folgenden Sitzung wurde aufgezeigt, welche Rolle Interreg für den Arbeitsmarkt und die demografische und ökologische Entwicklung spielt. Ein Redner sprach die Schwierigkeiten an, denen Grenzgänger sich gegenübersehen. Hier wurden vor allem die sprachlichen Barrieren, aber auch der Mangel an grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehrsmitteln, die Probleme bei der Anerkennung von Qualifikationen und die Frage der Rentenansprüche genannt.

Danach wurden mehrere Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorgestellt:

  • Das Projekt „Brain Flow“, an dem 25 Regionen in 15 Mitgliedstaaten beteiligt sind, soll dem Problem der Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften („Braindrain“) entgegenwirken;
  • Das Projekt NATREG fördert die Zusammenarbeit zwischen Landschaftsschutzgebieten mit dem Ziel, die Biodiversität zu erhalten, vor allem in Italien, Österreich, Slowenien, Kroatien und Serbien;
  • Die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD), bestehend aus 19 Ländern mit einer Bevölkerung von 80 Millionen Einwohnern;
  • Das Programm Poctep, eine Kooperation zwischen Spanien und Portugal, insbesondere in den Bereichen Abfallentsorgung, Wasseraufbereitung und Rettungsdienst;
  • Das Interreg-Programm „MED“ für die Zusammenarbeit von 13 Mittelmeeranrainerstaaten.

Am 15. September richtete der luxemburgische Ratsvorsitz zudem eine Pressekonferenz aus, die in Redange stattfand. Der Staatssekretär für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur, Camille Gira, erklärte, dass der Standort Redange gewählt worden sei, um direkt im Kooperationsraum Beispiele für Projekte vorzustellen, denn vor allem kleinere Gemeinden seien auf Kooperation und funktionelle Vernetzung angewiesen. Der Staatssekretär sprach zudem über die 170.000 Grenzgänger, die jeden Tag ihr Herkunftsland verlassen, um an ihren Arbeitsplatz in Luxemburg zu gelangen, wo sie über 40 % der Arbeitskräfte stellen. Dieses Phänomen stellt für Luxemburg und die Großregion die größte Herausforderung bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dar.

Kooperationsbeispiele aus aller Welt

Am zweiten Tag der Konferenz wurden Kooperationsbeispiele aus Afrika und Lateinamerika vorgestellt:

  • Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA), gegründet 1994 zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der wirtschaftlichen und finanziellen Aktivitäten der Mitgliedstaaten durch einen offenen und wettbewerbsorientierten Markt;
  • Die Kommission des Indischen Ozeans (IOC), der die Insel La Réunion (ein französisches Übersee-Département) angehört. Diese zwischenstaatliche Organisation wurde 1982 gegründet und soll die Kooperation mit der Region Ost- und Südafrika, dem afrikanischen Kontinent und dem Süden stärken;
  • Grenzüberschreitende Kooperationsprojekte in Latein- und Südamerika, die von der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) gesteuert werden;
  • Das Projekt „RED“, eingeführt 2010 in Chile und kofinanziert von der EU, mit dem Ziel, das Land bei seiner Dezentralisierungsreform zu unterstützen.

Das Programm Interreg – ein zentrales Instrument für die europäische Integration

Die zweite Sitzung war der Zukunft von Interreg gewidmet. Ein angesprochener Punkt war die Notwendigkeit, die Verwaltungslast zu reduzieren und die Programme durch den Abbau von Komplexität und Bürokratie attraktiver zu machen. Weitere Themen waren die Rolle der Nachbarschaftspolitik, die Schaffung multinationaler Verwaltungen, die fehlende strategische Ausrichtung der Programme sowie die Migrationskrise.

Zum Abschluss der Konferenz verwies Walter Deffaa, Generaldirektor der GD für Regionalpolitik und Stadtentwicklung der Europäischen Kommission, auf die Notwendigkeit, die Interreg-Programme gezielter und strategischer zu gestalten. Außerdem unterstrich er die Bedeutung einer „neuen Vision“ zur Entwicklung der Grenzregionen, einer Verringerung der administrativen und gesetzlichen Hürden und einer Vereinfachung der Programme. Walter Deffaa kündigte in diesem Zusammenhang ferner an, dass die Europäische Kommission eine Untersuchung („Cross-border review“) durchführen werde, um die Hindernisse in den Grenzregionen sowie die Möglichkeiten zur deren Überwindung zu prüfen. „Interreg ist der europäischste Teil der Kohäsionspolitik, denn Interreg soll zeigen, wie über Grenzen hinweg kooperiert werden kann. Es handelt sich um das zentrale Instrument der europäischen Integration, das bei der breiten Öffentlichkeit bekannt sein sollte“, bekräftigte er und bedauerte gleichzeitig, dass nur 31 % der europäischen Bürger, die in einer Grenzregion leben, Interreg kennen.

Der Staatssekretär für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur, Camille Gira, unterstrich seinerseits die Bedeutung der territorialen Zusammenarbeit für den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Raums und verwies auf den europäischen "Laborcharakter" von Interreg. Er zählte die Vorteile auf, die Interreg ihm zufolge im sozioökonomischen, soziokulturellen und institutionellen Bereich sowie für eine nachhaltige Entwicklung mit sich bringt.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 15-09-2015