Justiz und Inneres
Ratssitzung

Nach der Einberufung eines außerordentlichen JI-Rats durch die luxemburgische Ratspräsidentschaft mit dem Ziel einer europäischen Antwort auf den Migrationsdruck, gibt Jean Asselborn vor der Presse Erklärungen ab

cp-asselbornDie luxemburgische Ratspräsidentschaft hat für den 14. September 2015 einen außerordentlichen Rat „Justiz und Inneres" einberufen, um über eine Verstärkung der europäischen Antwort auf den Migrationsdruck zu diskutieren, der die letzten Wochen immer stärker wurde. Am 31. August 2015 erörterte der Minister für Immigration und Asyl Jean Asselborn bei einer Pressekonferenz in Luxemburg die Gründe, die den Ratsvorsitz dazu geführt haben, diesen außerordentlichen Rat zu organisieren.

„Europa ist zur Zeit einem nie dagewesenen Migrationsdruck ausgesetzt", erklärte der Minister. Allein im Monat Juli haben 31 591 Syrer um internationalen Schutz gebeten, betonte er, wobei er sich auf Zahlen der europäischen Agentur EASO stützte. Er fügte hinzu, dass seit Beginn des Jahres bis zum 14. August 264 500 Personen das Mittelmeer überquert haben - dabei stützte er sich auf die Zahlen der europäischen Agentur Frontex -, von denen die meisten in Griechenland (158 456) sowie in Italien (104 000) ankamen. Jean Asselborn betonte ferner, dass die Türkei allein 4 Millionen Flüchtlinge aufnimmt und man diesem Land helfen müsse.

„Es gibt keine nationale, sondern nur eine europäische Lösung“, so der Minister, der die Mitgliedsstaaten dazu aufrief, ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten. „Entsprechend den Genfer Konventionen muss man die Tür für die öffnen, die internationalen Schutz benötigen, und darf sie nicht vor Stacheldrahtzäunen zurücklassen“, betonte er und bezog sich dabei auf den Zaun, den Ungarn entlang seiner 175 km langen Grenze zu Serbien errichtet hat. Zugleich muss die Rückkehr der Personen organisiert werden, die kein Anrecht auf diesen Schutz haben, fügte er hinzu.

Der Minister sprach das Szenario der „Flüchtlingslager“ in Europa an. „Das ist immer noch besser als Staaten, die an ihren Grenzen Stacheldrahtzäune errichten und damit das Genfer Abkommen und das internationale Recht verletzen“, erklärte er. Der Minister bedauerte außerdem, dass es „deutliche Grenzen“ für die freiwillige Solidarität unter den Mitgliedsstaaten gebe.

„Es sind vor allem Krieg und Elend, die die Leute dazu bringen, wegzugehen“, erklärte der Minister und verwies dabei auf zwei Arten von Flüchtlingsströmen: diejenigen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, weil sie vor dem Krieg flüchten, und diejenigen, die vor dem Elend fliehen, auch „Wirtschaftsflüchtlinge“ genannt. Ein Unterschied, der „auf europäischer Ebene“ gemacht wurde und den der luxemburgische Ratsvorsitz „akzeptieren muss“, so der Minister.

Außerdem kam Jean Asselborn auf die „Sekundärbewegungen“ von Migranten zu sprechen, die in einem Staat registriert werden, diesen aber „schnell verlassen“ wollen, um in andere zu reisen. Der Minister nannte Deutschland, Schweden, die Niederlande und die Schweiz als Zielländer, vor allem aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation, der Anerkennungsrate der Asylanträge und der Verfahrensdauer.

Ihm zufolge werde das aktuelle System von Dublin „in Frage gestellt“. „Infolge juristischer Entscheidungen können Syrer nicht mehr nach Griechenland oder Ungarn zurückgeschickt werden. Wenn aber dieses Chaos andauert, dann wird es immer schwieriger werden, dafür zu sorgen, dass Dublin eingehalten wird“, erklärte er und warnte vor einer Infragestellung des Schengen-Raums.

In Zusammenhang mit dem missglückten Attentat in einem Thalys-Zug zwischen Paris und Amsterdam am 21. August rief Minister Asselborn weiter dazu auf, die Migrationspolitik nicht mit dem Thema Terrorismus zu vermischen.

Der Minister kam auch erneut auf die Prioritäten auf EU-Ebene zu sprechen, von denen die erste sei, weiterhin Leben zu retten. Hierbei begrüßte Jean Asselborn die bereits vollbrachte Arbeit, und zwar insbesondere die Bereitstellung der notwendigen Schiffe durch etwa fünfzehn Mitgliedstaaten.

Der Minister für Immigration betonte auch die Notwendigkeit der Umsetzung der Empfangs- und Erstempfangseinrichtungen (sog. „Hotspots“) in den Transitstaaten sowie in den Staaten an vorderster Front. Diese Einrichtungen, die zum Ziel haben, Flüchtlinge zu registrieren, zu sortieren, mit Würde aufzunehmen, die Verfahren zu beschleunigen und gegebenenfalls Rückreiseaktionen durchzuführen, „müssen funktionieren“, sagte er, was zwar in Italien, nicht aber in Griechenland der Fall sei. „Wir müssen uns in Europa darüber einig sein, dass die Menschen, die ankommen, registriert werden“, fuhr Jean Asselborn fort, der hinzufügte, dass derartige Hotspots sich auch in Serbien und Mazedonien als nützlich erweisen könnten.

Bezüglich der europäischen Liste der sicheren Herkunftsländer hob Minister Asselborn hervor, dass die EU-Kommission Mitte September einen Vorschlag vorbringen wolle. „Das ist zwar eine gute Sache, aber keine Lösung des Problems“, sagte der Minister. Ihm zufolge müsste ein Kandidatenland für eine EU-Mitgliedschaft als sicheres Land angesehen werden, „wohl wissend, das bestimmte Minderheiten gesondert behandelt werden müssen“. Für Jean Asselborn sei es nützlich, dass die Mitgliedstaaten eine einstimmige Position im Hinblick auf eine Angleichung ihrer nationalen Listen sicherer Länder festlegten. Im Übrigen sollte die Kommission, so der Minister, auch daran arbeiten, durch verkürzte Fristen und die Einschränkung administrativer Hürden die Nutzung von Finanzmitteln für die Länder an vorderster Front einfacher zu machen.

Eine der wichtigsten Herausforderungen des luxemburgischen Ratsvorsitzes wird in diesem Zusammenhang die Debatte über den Fortbestand der Mechanismen zur Neuansiedlung und zur Umsiedlung der Flüchtlinge und Asylbewerber sein, die offenkundig internationalen Schutz brauchen. Auf diese konnten sich die Minister für Einwanderung beim außerordentlichen Rat „Justiz und Inneres“ vom 20. Juli 2015 nur schwer einigen. „Einige Länder sind für ein dauerhaftes System, andere sind dagegen, und es wird in den nächsten Monaten eine große Debatte innerhalb des Rats „Justiz und Inneres“ geben“, sagte der Minister. Jean Asselborn meinte außerdem, dass man die Erfassung der Rückführungsentscheidungen im Schengener Informationssystem (SIS) garantieren und über die Verstärkung des Mandats der Agentur Frontex und die Verwaltung der EU-Außengrenzen debattieren müsse.

Auf internationaler Ebene, schätzte der Minister, werde es „sehr schwierig werden, das Migrationsphänomen in den Griff zu bekommen“, solange die Terrororganisation IS aktiv sei, solange der Krieg in Syrien andauere und solange die Region weiterhin destabilisiert sei. „Es ist wichtig, bei der Frage der Steuerung der Migrationsphänomene mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten“, fuhr er weiter fort und merkte an, dass am 30. September 2015 eine große Debatte zu dem Thema geführt werden würde.

Für den Minister müsse man auch schnellstens europäische Verbindungsbeamten „für Einwanderungsfragen“ in die Botschaften vorrangiger Drittstaaten entsenden, das multifunktionale Zentrum in Niger ausbauen und das Gipfeltreffen von La Valetta über die Migration zwischen der Europäischen Union und Afrika vorbereiten, das am 11. und 12. November 2015 auf Malta stattfinden wird. „Wir brauchen mit Afrika eine Kooperationsstrategie, die finanziell sein muss, aber nicht nur“, sagte Jean Asselborn, der vor allem auf dem Thema der Rückübernahme bestand.

Eine Konferenz auf hoher Ebene ist im Oktober 2015 in Budapest geplant, um mit den Westbalkanländern über die Problematik zu diskutieren und die Gründe für die verstärkte Nutzung der sog. Balkanroute sowie die Mittel zur Unterstützung dieser Länder zu analysieren. Der Minister betonte außerdem die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen und Agenturen (vor allem Europol und Frontex), um das Phänomen der Sekundärmigration zu analysieren.

Zu guter Letzt gilt es für den Minister, die laufenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament zum Thema Migration - d. h. zum Vorschlag für eine Richtlinie Forscher/Studenten und die Änderung von Dublin bei der Frage der unbegleiteten Minderjährigen - abzuschließen und beim Rat „Justiz und Inneres“ im Oktober über die Visumpolitik zu diskutieren.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 31-08-2015