Justiz und Inneres
Minister im Europäischen Parlament

Félix Braz und Etienne Schneider stellten dem Rechtsausschuss (JURI) die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes vor

pe-scheider-braz2Der Justizminister Félix Braz und der Wirtschaftsminister Etienne Schneider haben am 14. Juli 2015 dem Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes vorgestellt.

Félix Braz unterstrich insbesondere, wie wichtig die Reform des Gerichtshofes der Europäischen Union angesichts der „inakzeptablen Anzahl anhängiger Rechtssachen“ und der Verzögerung gewisser Verfahren sei. „Es ist weiterhin notwendig, diese Reform abzuschließen, denn wir stehen vor einem echten Problem“, betonte er. Im Laufe der Debatte antwortete der Minister zu diesem Thema dem liberalen Europaabgeordneten Antonio Marinho e Pinto, Berichterstatter des JURI-Ausschusses in dieser Angelegenheit, der eine Folgenabschätzung zur Notwendigkeit dieser Reform verlangte, und auf die Kosten verwies, die in Zeiten von Haushaltseinsparungen durch die Erhöhung der Anzahl europäischer Richter entstehen.

Es sei daran erinnert, dass der EU-Gerichtshof im April 2015 vorgeschlagen hat, die Anzahl der Richter in drei Schritten um 28 zu erhöhen, davon 7 Richter, die dem Gericht für den öffentlichen Dienst angehören, das 2016 in den Gerichtshof der Europäischen Union integriert wird, sodass sich effektiv eine Verstärkung um 21 Richter ergibt. Diese Reform erhielt im Juni 2015 die Zustimmung des Rates der EU.

Félix Braz antwortete dem Europaabgeordneten, dass zwischen 2011, als der EU-Gerichtshof bereits vorgeschlagen hatte, die Zahl der Richter um 12 zu erhöhen, und 2015, die Anzahl der Rechtssachen um 43 % zugenommen habe und die Dauer der Verfahren momentan bis zu 45 Monate erreichen könne. Er wies auf die Kosten eines Reformverzichts hin und erläuterte, dass die EU sich Forderungen in Höhe von 26 Millionen Euro als Schadenersatz für eine übermäßige Dauer von Verfahren gegenübersehe. Er warnte vor einer Zunahme von Beschwerden und unterstrich das Gewicht von „direkten“ Auswirkungen auf Unternehmen, die auf einen Gerichtsentscheid warten. „Der Rat ist davon überzeugt, dass diese Reform unerlässlich und dringend ist“, schloss der Minister und fügte hinzu, der Gerichtshof habe in manchen Bereichen „eine strukturelle Schwierigkeit“, innerhalb einer „zumutbaren Frist“ über Rechtssachen zu befinden.

Laut dem Minister wird der Reformvorschlag 20 % mehr kosten als der Vorschlag von 2011, während die Anzahl der Rechtssachen um 43 % gestiegen ist. Nach Ansicht von Félix Braz handelt es sich um eine „proportionale“ Reform, die „konform“ zur zahlenmäßigen Zunahme von europäischen Gerichtsentscheiden ist. Weiterhin erklärte er, die Dauer der Übersetzungen sei ein „unwesentlicher“ Faktor, da die Übersetzung eines Urteils durchschnittlich 1,8 Monate in Anspruch nehme (gegenüber einer Verfahrensdauer von 32 bis 45 Monaten). Außerdem verwies er darauf, dass „keine Zeit mehr mit Folgenabschätzungen verloren werden darf“, die bereits stattgefunden hätten, und dass „wir über alle erforderlichen Daten verfügen“, um einen „ausgewogenen Vorschlag“ zu verabschieden.

Bei seinen Ausführungen verlieh der Minister seinem Willen Ausdruck, bei der ersten Lesung zu einer Einigung über das Aktionärsrecht zu gelangen. Félix Braz verwies auf die vom Europäischen Parlament anlässlich einer Abstimmung am 8. Juli 2015 verabschiedeten Änderungen, die von so großer Anzahl und „substantieller Art“ sind, dass es „sich aufdrängt, zuerst die Mitgliedstaaten zu konsultieren“, bevor die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufgenommen würden, erläuterte der Minister. Er unterstrich die Bedeutung eines verstärkten Engagements der Aktionäre gegenüber den Unternehmen, in die sie investieren, und einer Verbesserung der Transparenz und des Einsichtsrechts der Aktionäre in Bezug auf die Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder und die Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen.

Félix Braz verpflichtete sich, „unermüdlich“ auf eine Einigung über die Verordnung zur Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden hinzuarbeiten. „Die Verringerung der administrativen Formalitäten und der damit verbundenen Kosten, wenn die Bürger ihr Recht ausüben, sich in der EU frei aufzuhalten, ist eine Notwendigkeit“, erklärte der Minister. Er teilte mit, der Rat, der sich auf eine allgemeine Ausrichtung in der Angelegenheit einigen konnte, habe beschlossen, diese Vereinfachung auf die wichtigsten Personenstandsurkunden zu konzentrieren, und erläuterte ferner, die Behörden könnten keine Beifügung einer Apostille mehr verlangen.

Etienne Schneider stellte die Prioritäten im Bereich geistiges Eigentum vor, der in sein Ressort fällt. Er sprach insbesondere den Vorschlag für die Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse an, zu der das Europäische Parlament gerade seine Position verabschiedet hat. Etienne Schneider wies darauf hin, dass ab September Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufgenommen werden könnten.„Der Ratsvorsitz wird sich bemühen, die Arbeiten abzuschließen und einen ausgewogenen Kompromiss zu finden“, insbesondere zu den Fragen bezüglich der Auswirkungen auf die Mobilität und die Beschäftigung, der Gewährleistung der Freizügigkeit sowie der Ausnahmen für Informanten. In diesem Zusammenhang forderten mehrere Abgeordnete einen starken Schutz für die Letztgenannten. Etienne Schneider versicherte ihnen, dass Ausnahmen für Informanten und Journalisten in der Richtlinie vorgesehen seien.

Ein weiteres von Etienne Schneider angesprochenes Thema war der Vertrag von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu veröffentlichten Werken. Der Minister unterstrich die Absicht des Ratsvorsitzes, einen Kompromiss in dieser Angelegenheit zu erzielen, und verwies auf Meinungsverschiedenheiten und auf eine Sperrminorität in Bezug auf die Frage der Zuständigkeit. Der Hintergrund ist, dass die Kommission, unterstützt von einigen Delegationen, davon ausgeht, dass sie in diesem Bereich die alleinige Zuständigkeit besitzt, während die Mehrheit der Delegationen der Meinung ist, dass es sich um eine geteilte Zuständigkeit handelt. Mehrere Abgeordnete bedauerten die Blockade dieser Angelegenheit im Rat.

Der luxemburgische Ratsvorsitz sei bereit, die Gespräche über eine Reform der Urheberrechte einzuleiten, sobald die Europäische Kommission ihre Vorschläge vorgelegt habe, erklärte Etienne Schneider weiter.

Ein weiteres während der Diskussion angesprochenes Thema war der Vorschlag über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, der auf eine Verringerung der Kosten dank Online-Eintragung abzielt. Während ein Abgeordneter vor der Gefahr von Steuerflucht warnte, vertrat Félix Braz die Auffassung, dass „die EU ein Instrument dieser Art braucht“. Nur 2 bis 3 % der kleinen und mittleren Unternehmen seien auf dem Binnenmarkt, d. h. über Grenzen hinweg, tätig, bedauerte er.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 14-07-2015