Die luxemburgischen Ratspräsidentschaften

Zum zwölften Mal seit 1958 übernimmt Luxemburg vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015 den Vorsitz des Rates der Europäischen Union. Das Großherzogtum hat es trotz seiner begrenzten Mittel als kleines Land geschafft, seine Fähigkeiten für die Vermittlung zwischen den Großen vorteilhaft zu nutzen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.

Im Januar 1966 nahm Frankreich unter luxemburgischer Präsidentschaft seinen Platz im EWG-Rat wieder ein, nachdem es sieben Monate lang eine "Politik des leeren Stuhls" praktiziert hatte. Die sechs Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft haben es besonders dank der Vermittlung durch den Premierminister Luxemburgs Pierre Werner geschafft, diese politische und institutionelle Krise zu überwinden, indem sie den "Luxemburger Kompromiss" annahmen, der es einem Staat ermöglicht, eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung zu vertage sowie die Weiterführung von Diskussionen über ein Projekt der EU zu fordern, wenn dieses unter Umständen "sehr wichtige nationale Interessen" gefährden könnte.

Während der letzten fünf Präsidentschaften ermöglichte insbesondere die Rolle Luxemburgs als ehrlicher Mittler bei der Schlichtung von oft äußerst unterschiedlichen Interessen die im europäischen Integrationsprozess verzeichneten Fortschritte.

Beim Gipfel in Luxemburg im Dezember 1985 trafen die Staats- und Regierungschefs der zehn teilnehmenden Staaten nach langwierigen Verhandlungen eine politische Vereinbarung über die erste große institutionelle Reform seit dem Vertrag über die Fusion der Exekutivorgane im Jahr 1965. Die ergriffenen Maßnahmen umfassten insbesondere eine bedeutende Ausweitung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit im Rat in den Bereichen des Binnenmarktes sowie eine Demokratisierung der Beschlussfassung durch die Einrichtung eines Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen dem Rat und dem Parlament. Die in Luxemburg erzielte Grundsatzvereinbarung ebnete den Weg für die Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte im darauffolgenden Jahr in Luxemburg und Den Haag.

Im Juni 1991 legte der luxemburgische Ratsvorsitz einen Vertragsentwurf vor, welcher einige Monate später in Maastricht zum Abschluss der Verhandlungen zum Vertrag über die Europäische Union führte. Aufgrund der Mehrheitstendenzen im Zuge der Regierungskonferenzen über die politische Union sowie die Wirtschafts- und Währungsunion, die im Dezember 1990 in Rom starteten, sah der von Luxemburg vorgeschlagene Kompromiss eine Säulenstruktur für die künftige Europäische Union vor: eine gemeinschaftliche Säule und zwei intergouvernementale Säulen, die der Außen- und Sicherheitspolitik sowie die der Bereiche Justiz und Inneres. Diese Formel nimmt zu einem großen Teil in der Struktur des im Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrags voraus.

Nach vier Jahren Vorbereitungs- und Wartezeit nach der Verabschiedung der wirtschaftlichen und politischen Kriterien für den Beitritt zur EU in Kopenhagen im Jahr 1993 hat der Europäische Rat in Luxemburg im Dezember 1997 den größten Erweiterungsprozess der Geschichte der Union in Gang gesetzt. Diese historische Öffnung wurde im Mai 2004 mit dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten erstmals konkret.

Nach der Aufnahme des neuen Titels "Beschäftigung" in den Vertrag über die Europäische Union (EU) im Jahr 1997 wurde die Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) beim Europäischen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg ins Leben gerufen, um die nationalen Politiken im Bereich Beschäftigung zu koordinieren.

Während der letzten luxemburgischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2005 wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt reformiert, um über verschiedene Änderungen seine präventive Komponente und seine wirtschaftliche Logik zu verstärken. Außerdem wurde die Strategie von Lissabon für Wachstum und Beschäftigung neu angekurbelt und es wurden ambitioniertere Ziele in der Entwicklungshilfe festgelegt. Luxemburg hat darüber hinaus zur Verbesserung der transatlantischen Beziehungen und zu neuen Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland beigetragen.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 29-06-2015