Am 25. November 2015 sprach Nicolas Schmit, der während des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes zuständige Minister für die Beziehungen mit dem Europäischen Parlament, vor den in der Plenarsitzung versammelten Europaabgeordneten in Straßburg, um die Ergebnisse des Gipfeltreffens von Valletta vom 11./12. November 2015 und des Gipfeltreffens der G20 vom 15./16. November 2015 vorzustellen.
Der Migrationsgipfel von Valletta
Nicolas Schmit begrüßte die zahlenmäßig hohe Beteiligung der europäischen und afrikanischen Länder an diesem Gipfeltreffen über die Migration, was „von der politischen Bedeutung zeugt, die alle, in Europa und in Afrika, dieser Herausforderung beimessen“. Nur zur Erinnerung: Das Ziel des Gipfeltreffens von Valletta (Malta) sollte in einer Stärkung der Zusammenarbeit und in einer Diskussion über die Herausforderungen, die die Migration darstellt, liegen. Die Staats- und Regierungschefs sollten sich darin einig sein, dass Herkunfts-, Transit- und Zielländer gemeinsam für die Migration verantwortlich sind.
Die Teilnehmer des Gipfeltreffens verabschiedeten eine politische Erklärung und einen Aktionsplan. Außerdem einigten sie sich auf eine Liste von 16 konkreten Maßnahmen, die bis Ende 2016 umgesetzt werden sollen.
Nach Meinung von Nicolas Schmit habe der Gipfel es ermöglicht, „den Zusagen der Europäischen Union konkreten Ausdruck zu verleihen“; diese Zusagen betreffen vor allem eine Stärkung der politischen Zusammenarbeit mit den afrikanischen Partnerländern auf allen Ebenen, um die tiefgreifenden Ursachen der illegalen Migration zu bekämpfen und gegen Menschenhändler und Schleuser von Migranten vorzugehen. Diese Zusagen kommen nach Meinung von Nicolas Schmit in den beiden verabschiedeten Dokumenten, die „im Wesentlichen pragmatischer und funktioneller Art sind“, zum Ausdruck. „Diese Maßnahmen sollen eine dauerhafte wirtschaftliche und soziale und umweltpolitische Entwicklung begünstigen“, betonte der Minister.
Aus der Sicht des Ministers stimme der Inhalt des Aktionsplans „mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und des Rats hinsichtlich des wichtigen Themas der Rückführung und Rückübernahme von irregulären Migranten“, die in mehreren von den Staats- und Regierungschefs verabschiedeten Texten betont wurden, vollkommen überein.
Nach Meinung von Nicolas Schmit sei in dem Dialog über Migrationsfragen zwischen den europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungschefs erstmals eine klare und gemeinsame Absicht bekundet worden, konkrete Maßnahmen zur Erleichterung der Rückführung und dauerhaften Wiedereingliederung irregulärer Migranten umzusetzen. Eine solche Zusammenarbeit „kann die europäische Politik auf den Gebieten der Migration und der Mobilität nur stärken, indem sie sie effizienter und umfassender macht“, so der Minister.
Schließlich verwies Nicolas Schmit noch deutlich auf die finanziellen Zusagen der EU mittels aller zur Verfügung stehenden Finanzinstrumente und nannte auch insbesondere den neuen Nothilfe-Fonds der Union. Überdies würden die bereits bestehenden Mechanismen des Dialogs (Rabat- und Khartum-Prozesse, Dialog EU-Afrika über Migration und Mobilität) eingesetzt, um die operationellen Aspekte des Aktionsplans zu verfolgen, so der Minister.
Federica Mogherini plädiert für legale und effektive Mobilität
Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der Union für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik, rief ihrerseits dazu auf, rational zu handeln und einen „Mechanismus der menschlichen Mobilität" einzurichten, „der dem 21.Jahrhundert gerecht wird“. Mit einem solchen Mechanismus solle eine „legale und effektive Mobilität“ ermöglicht und den Herausforderungen der irregulären Migration und der Ausnutzung des menschlichen Leidens begegnet werden, und zwar unter Einbeziehung von Übereinkommen betreffend Rückführung und Rückübernahme von Migranten. Sie betonte eine Stärkung der legalen Einreisewege, um es zu verhindern, dass Mittelmeer und Sahara zu einem Massengrab würden.
Wenngleich die Vorbereitung des Gipfels von Valletta in angespannter Atmosphäre erfolgt sei, so seien das Gipfeltreffen selbst und die Nachverfolgung der Umsetzung der Ergebnisse „äußerst fruchtbar und positiv“ gewesen. Nach Meinung der Hohen Vertreterin handele es sich nicht darum, „Geld anzubieten, um von den afrikanischen Staaten Übereinkommen für die Rückübernahme zu fordern“. Es gehe nicht darum, „die Entwicklungshilfe als Tauschgeld in den Verhandlungen zu verwenden“, betonte sie mit Nachdruck, denn dies stehe im Widerspruch zu den europäischen Werten und Interessen und würde ganz einfach nicht funktionieren. Das den afrikanischen Staaten vorgeschlagene Konzept bestehe darin, Instrumente einzurichten und finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um ein komplexes Phänomen in den Griff zu bekommen, von dem die europäischen und die afrikanischen Staaten gleichermaßen betroffen seien, so Federica Mogherini.
Debatte
Esteban González Pons, Vizepräsident der EVP-Fraktion, sprach von einer „wichtigen Einigung“, die in Valletta hinsichtlich des Treuhandfonds für Afrika erzielt worden sei. Er rief auch dazu auf, Immigration und Terrorismus nicht in einen Topf zu werfen und die Außengrenzen der EU zu stärken. Abschließend plädierte er für die Einrichtung einer „echten gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik“.
Gianni Pittella, Präsident der S&D-Fraktion, wies darauf hin, dass seine Gruppe mit den Ergebnissen des Gipfeltreffens nur „teilweise zufrieden“ sei. Er sprach von einem „stillschweigenden Austausch zwischen den afrikanischen und europäischen Regierungschefs“ und rief dazu auf, diese Themen nicht unter reinen Nützlichkeitsaspekten zu betrachten.
Timothy Kirkhope (ECR), sprach von einem „wichtigen Gipfel“, der den „Startpunkt für zukünftige ambitiösere Gipfeltreffen“ bilde. Er betonte, dass es notwendig sei, Abkommen zur Rückübernahme zu schließen, da ohne diese die Asylsysteme nicht funktionieren würden. Er hob auch die große Bedeutung der Entwicklung für die afrikanischen Länder hervor, denn dies „wird den jungen Menschen mehr Möglichkeiten eröffnen“.
Guy Verhofstadt, Präsident der ALDE-Fraktion, äußerte „gemischte Gefühle“ angesichts des Gipfeltreffens von Valletta. Europa warf er vor, seine Probleme „auslagern“ zu wollen, wobei er daran erinnerte, dass sich in den afrikanischen Ländern zwischen 12 und 15 Millionen Flüchtlingen befänden, die „bessere Arbeit leisten als wir“. Er rief die EU dazu auf, ihre finanziellen Zusagen und Verpflichtungen einzuhalten. Er sei der Meinung, dass die Union „die Größte“ sei, wenn es darum gehe, Versprechen zu machen, aber die Letzte, wenn es darum gehe, zu bezahlen. Was den Umverteilungsmechanismus der Flüchtlinge betrifft, der sich bis jetzt noch kaum bewährt habe, rief er den luxemburgischen Ratsvorsitz dazu auf, diese Frage im Rat zu behandeln.
Kostas Chrysogonos (GUE/NGL), sprach von „großen Erklärungen“ und „großen Worten“ bei einem „Gipfeltreffen ohne konkrete Verpflichtungen“. Aus seiner Sicht sei das einzige Resultat auf dem anschließenden informellen Gipfeltreffen erzielt worden, bei dem es um die Zuweisung von finanzieller Unterstützung an die Türkei für die Flüchtlingsaufnahme ging. Er rief dazu auf, „das semi-autoritäre Regime von Erdogan zu bekämpfen“ und wies darauf hin, dass sich die Situation in Syrien niemals normalisieren würde, wenn der Islamische Staat nicht bekämpft würde.
Judith Sargentini von den Grünen/EFA, beklagte das „egoistische“ Verhalten der Mitgliedstaaten der EU, deren einziges Ziel darin bestehe, in die Entwicklungshilfe zu investieren, um sich zu schützen. Sie gestand, dass sie „viele Bedenken“ habe und erklärte, dass sie für „echte Investitionen in Afrika“ sei, um „den Menschen ein Leben im eigenen Lande zu ermöglichen“.
Im Anschluss an die Debatte sprach der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement Christos Stylianides im Namen der Hohen Vertreterin. Auch er rief dazu auf, „in die Zukunft Afrikas zu investieren“, denn dies sei ein „Kontinent mit enormem Potenzial“. „Zum Wachstum und zur Entwicklung Afrikas beizutragen, liegt in unserem eigenen Interesse.“ Wenn wir die Zukunft Afrikas ignorieren, werden wir unserer eigenen Zukunft schaden“, so der Kommissar. Er erinnerte daran, dass die Priorität darin liegen müsse, Menschenleben zu retten und dass dies nach wie vor einer der wichtigsten Aspekte der Partnerschaft zwischen der EU und Afrika sei. Aus seiner Sicht bestehe diese neue Partnerschaft nicht einzig und alleine darin, die Mobilität besser in den Griff zu bekommen; vielmehr müsse man auch die anfänglichen Ursachen betrachten, führte er weiter aus.
Nach dem abschließenden Fazit von Nicolas Schmit habe der Gipfel von Valletta es ermöglicht, einen Prozess hin zu einer neuen Partnerschaft mit Afrika als „natürlichem Partner“ der EU neu zu beleben, wobei er präzisierte, dass „die Migration und die Entwicklung zwei Seiten ein- und derselben Realität“ seien. Seiner Meinung nach sei es nicht möglich, die Migrationsströme besser unter Kontrolle zu bekommen, ohne auch die Herkunftsländer einzubeziehen und ohne die legale Migration in die Überlegungen mit einzuschließen. Er rief dazu auf, „reelle“ Projekte zur Verbesserung der Perspektiven der Bevölkerungen in den „besonders betroffenen Regionen“ in Angriff zu nehmen, um ihnen einen Anreiz zu geben, dort zu bleiben. Er erinnerte weiter daran, dass Afrika selbst eine große Zahl an Binnenflüchtlingen habe und dass man es bei der Handhabung dieses Problems unterstützen müsse.
Die Ergebnisse des G20-Gipfeltreffens in Antalya
In seinem Redebeitrag sprach Nicolas Schmit auch über die Ergebnisse des Gipfeltreffens der G20, das am 15./16. November 2015 in Antalya (Türkei) stattfand. Der Minister wies darauf hin, dass die Ergebnisse „für die Europäer positiv“ seien und dass es „zahlreiche Konvergenzpunkte zwischen den G20 und der EU hinsichtlich der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der identifizierten Prioritäten gebe“.
Einer der wichtigen Punkte der Begegnung, bei der die Terroranschläge von Paris im Vordergrund standen, war die Unterzeichnung einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs zum Kampf gegen den Terrorismus. In ihrer Erklärung verurteilten die Staats- und Regierungschefs die schändlichen Attentate der Terroristen, die sich in Paris und Ankara ereignet hatten und betonten ausdrücklich die Tatsache, dass der Terrorismus weder mit einer Religion, Staatsangehörigkeit, Kultur oder ethnischen Herkunft assoziiert werden könne oder dürfe, erklärte Nicolas Schmit.
Die Teilnehmer des G20 behandelten unter anderem auch das Thema der Terrorismusfinanzierung und betonten die Wichtigkeit eines globalen Ansatzes, der auf dem festen Willen aufbauen müsse, die Faktoren zu bekämpfen, die den Terrorismus begünstigen, merkte der Minister weiter an.
Was wirtschaftliche Themenanbelangt, so behandelten die Diskussionen das vorrangige Ziel, welches darin besteht, ein starkes, dauerhaftes und ausgeglichenes Wachstum zu erreichen. In diesem Kontext haben die Teilnehmer ihre feste Absicht des letztjährigen G20-Gipfeltreffens von Brisbane (Australien) neu bekräftigt, das Gesamt-Bruttoinlandsprodukt der G20-Länder bis 2018 um zusätzliche 2 Prozent zu steigern, ließ Nicolas Schmit verlauten.
Außerdem standen auch die Themen der Investition, und insbesondere die jedem Land eigenen Strategien für dieses Jahr, sowie die Beteiligung des Privatsektors, der KMU und die Vermittlung auf dem Gebiet der Finanzen auf der Tagesordnung. In diesem Kontext brachte Minister Schmit auch seine Freude darüber zum Ausdruck, dass der Aktionsplan von Antalya einen direkten Hinweis auf den Investitionsplan für Europa enthält.
Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung des Treffens war die internationale Besteuerung, stellte Nicolas Schmit heraus, wobei er präzisierte, dass die Staats- und Regierungschefs das BEPS-Maßnahmenpaket betreffend die geplante Verminderung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen durch multinationale Konzerne („Base Erosion and Profit-Shifting") angenommen haben und anerkannt haben, dass eine breite und kohärente Umsetzung wesentlich sei, um die Effizienz dieses Projekts zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich des Informationsaustauschs über die voraussichtlichen steuerpolitischen Entscheidungen auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Regelungen.