Verkehr, Telekommunikation und Energie
Minister im Europäischen Parlament

Nach Annahme der Neuregelung zur Abschaffung der Mobilfunk-Roaming-Gebühren und Gewährleistung der Netzneutralität durch das Europäische Parlament begrüsst Nicolas Schmit einen „echten europäischen Erfolg“

Am 27. Oktober 2015 verabschiedeten die europäischen Abgeordneten in der Plenarsitzung in Straßburg eine Einigung, die nach zweijährigen Verhandlungen mit dem Rat der EU in Bezug auf die Regelung über den europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation erzielt worden war. Die Abgeordneten wiesen sämtliche Änderungsanträge am Text zurück und vertraten so in erster Lesung die Position des Rates.

Dieser Text sieht bis zum 15. Juni 2017 die allmähliche Abschaffung der Mobilfunk-Roaming-Gebühren vor. Außerdem erfolgt auf EU-Ebene erstmals die Einführung von Regelungen über die Gewährleistung des Zugangs zu einem offenen Internet, d. h. die Gewährleistung der Netzneutralität.

pe-roaming-cdp„Mit diesen beiden Erfolgen ist es den Mitgesetzgebern durch die wertvolle Hilfe der Kommission gelungen, Europa den Bürgern näher zu bringen“, gratulierte Nicolas Schmit, der für die Zeit des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes mit den Beziehungen zum Europäischen Parlament betraute Minister, während einer Pressekonferenz nach der Abstimmung. Er bemerkte, mit der Annahme der Vorschriften, die als „wesentliche Bedingung für die Vervollständigung des digitalen Binnenmarktes“ gelten, sei eine „wichtige Etappe“ erreicht worden.

Die Berichterstatterin für den Gesetzesentwurf im Europäischen Parlament, Pilar Del Castillo Vera (EVP), erklärte ihrerseits, dass Europa mit dieser Vorschrift zur „einzigen Region weltweit wird, in der ein gerechter Zugang zum Internet rechtlich garantiert ist“. Ihr zufolge komme die Abschaffung der Roaming-Gebühren der Abschaffung einer „Steuer“ auf die Personenfreizügigkeit im europäischen Raum gleich. Diese Gebühren hemmten Unternehmen, die grenzüberschreitend investieren möchten.

Günther Oettinger, Europäischer Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, begrüßte die Abschaffung der „unverhältnismäßigen“ Gebühren, die den „realen Kosten nicht entsprechen“. Seiner Meinung nach handle es sich um einen guten Kompromiss, der den Bürgern und der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zugute komme.

Endgültige Abschaffung der Roaming-Gebühren bis Mitte 2017

Kraft dieser Vereinbarung werden die Roaming-Aufschläge in Europa bis zum 15. Juni 2017 abgeschafft, laut Minister Schmit ein „historisches“ Ergebnis, da die „Roaming-Gebühren einen der offensichtlichsten Mängel des Binnenmarktes darstellen“.

Roaming-Anbieter werden jedoch die Möglichkeit haben, eine Regelung zur angemessenen Nutzung („Fair-Use-Policy“) anzuwenden, um eine missbräuchliche Roaming-Nutzung zu verhindern. Für eine missbräuchliche Nutzung darf ein Aufschlag erhoben werden, der das Großkundenentgelt, das der Betreiber für die Nutzung der Netze in anderen Mitgliedstaaten der EU entrichtet, jedoch nicht übersteigen darf.  Die Obergrenzen einer angemessenen Nutzung werden bis 15. Dezember 2016 von der Kommission festgelegt. 

„Sobald die Abschaffung der Roaming-Gebühren umgesetzt ist, muss eine missbräuchliche Nutzung verhindert werden“, so Nicolas Schmit. Eine solche Regelung musste eingeführt werden, da sich nationale Preise voneinander unterscheiden können.

In außergewöhnlichen Situationen werde nach Genehmigung durch die nationalen Regulierungsbehörden die Erhebung zusätzlicher Gebühren jedoch weiterhin möglich sein, wenn die Roaming-Anbieter nicht in der Lage sind, alle mit der Bereitstellung der Dienste verbundenen Kosten zu decken.

Um der Abschaffung der Roaming-Gebühren EU-weit Tragfähigkeit zu verleihen, müssen die aktuellen Großkundenentgelte gemäß dem Gesetzentwurf gesenkt werden.  Um dies zu erreichen, wurde die Kommission beauftragt, den Markt des Großkunden-Roamings zu überprüfen und bis 15. Juni 2016 einen neuen Rechtsakt vorzuschlagen. Ferner werden Schutzklauseln aufgenommen, um die Frage der Kostendeckung für die Betreiber zu regeln. 

Preiswerteres Roaming bereits 2016

Der Kompromiss sieht eine Übergangsfrist vor, die am 30. April 2016 beginnt. Ab diesem Tag werden die Gebühren sinken, „um den Betreibern eine Anpassung zu ermöglichen“. „Andernfalls werden die nationalen Preise steigen. Die Verlierer werden dann wieder die Verbraucher sein“, erklärte Nicolas Schmit. Der Aufschlag wird dann höchstens 0,05 EUR pro Minute für Anrufe, 0,02 EUR pro SMS und 0,05 EUR je Megabyte Datenvolumen betragen, also nur ein Viertel des jetzigen Preises, so die Berichterstatterin Pilar Del Castillo Vera.

Diese Beträge entsprechen den derzeit üblichen Obergrenzen für das Großkundenentgelt. Für eingehende Anrufe entspricht der höchste Aufschlag dem gewichteten Durchschnitt der Obergrenze für Mobilfunk-Zustellungsentgelte in der EU, der bis Ende 2015 von der Kommission zu bestimmen ist. 

Schutz des offenen Internets

Nicolas Schmit begrüßte außerdem die Tatsache, dass das Prinzip der Netzneutralität „erstmals in europäisches Recht“ aufgenommen wurde. Die Vereinbarung legt in der Tat fest, dass die Anbieter von Internet-Zugangsdiensten sämtlichen Internet-Verkehr gleich behandeln müssen, d. h. diskriminierungs-, beschränkungs- und interferenzfrei, unabhängig von Versender und Empfänger, abgerufenen oder bereitgestellten Inhalten oder den verwendeten Anwendungen und Diensten. Sie werden also sämtlichen Internet-Verkehr gleich behandeln müssen. Im Text ist ferner das grundsätzliche Recht der Endnutzer verankert, im Internet auf Inhalte ihrer Wahl zuzugreifen und solche Inhalte zu verbreiten. 

Günther Oettinger begrüßte den Umstand, dass Europa der erste Kontinent ist, der eine parlamentarische gesetzliche Regelung für den für jeden Bürger gleichberechtigten und „nicht diskriminierenden“ Zugang zum Netz geschaffen hat und der „größere Klarheit“ für Investoren schafft. Er zeigte sich erfreut über eine europaweit einheitliche Gesetzgebung an Stelle von 28 verschiedenen Gesetzen, präzisierte aber, dass es in einigen Mitgliedsstaaten überhaupt keine Gesetzgebung in diesem Bereich gebe, was die Gefahr einer Diskriminierung von Bürgern berge.

Dabei dürfen die Betreiber angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen anwenden, um die Funktionsfähigkeit des Internets sicherzustellen. Diese Maßnahmen müssen auf objektiven technischen Anforderungen und nicht auf kommerziellen Erwägungen beruhen; sie müssen transparent, nicht diskriminierend und verhältnismäßig sein. Darüber hinaus dürfen sie nicht mit der Überwachung besonderer Inhalte verbunden sein. Sperren oder Drosseln wird nur bei einer begrenzten Zahl von Umständen zulässig sein, beispielsweise um Cyberangriffe abzuwehren oder auf eine außerordentliche oder befristete Netzüberlastung zu reagieren. 

 „Die Lösung, die wir gefunden haben, ist ausgewogen“, sagte Nicolas Schmit hierzu und betonte, dass sie „ein offenes und gleichzeitig im Alltag funktionsfähiges Internet“ garantiere, indem sie „eine dynamische Entwicklung und Innovationen des Internets ermöglicht“. So verfüge dann jeder Nutzer über „eine Garantie, auf Online-Inhalte seiner Wahl zuzugreifen, ohne dass dies durch den Internet-Anbieter vorgeschrieben wird“, präzisierte der Minister und fügte hinzu, dass „Anbieter fortan den Internet-Verkehr nur noch für Zwecke der reibungslosen Abläufe im Internet lenken können“.

Er sagte auch: „Wir werden Innovationsmöglichkeiten über das Internet bewahren.“ „Start-Ups werden ihre innovativen Dienste allen Internetnutzern anbieten können [und] gleichzeitig bleibt die Möglichkeit bestehen, Dienste bei garantierter Qualität über elektronische Kommunikationsnetze anzubieten, fuhr er fort. Der Minister ging auch davon aus, dass „den nationalen Regulierungsbehörden eine wichtige Rolle“ bei der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften und ihrer „ausgewogenen und konsequenten“ Umsetzung in den 28 Mitgliedstaaten der EU zukommen werde.

Eine „bevorzugte Behandlung“ für Dienste von allgemeinem Interesse

Vereinbarungen über für spezifische Inhalte optimierte Dienste, die eine bestimmte Qualität erfordern, sind erlaubt, wenn eine solche Optimierung notwendig ist. Die Betreiber müssen jedoch die generelle Qualität der Internetzugangsdienste gewährleisten.

Günther Oettinger präzisierte, dass eine „bevorzugte Behandlung“ Diensten vorbehalten sei, die im öffentlichen Interesse handeln. Beispielhaft nannte er Notfalldienste, Gesundheitsdienste oder Mobilitätsdienste, für die sich die Kommission auf die Empfehlungen der GEREK, dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, stützte.

Der Kommissar bedauerte, dass es keine Einigung über die europaweite Harmonisierung der Auktionen für die Vergabe von Frequenzen gegeben habe, die auf nationaler Ebene organisiert werden. In seinen Augen wird es ohne eine grenzüberschreitende Vergabe der Frequenzen keine „Revolution“ der mobilen Kommunikation geben. Günther Oettinger kündigte an, dass die Kommission dieses Thema in ihr Arbeitsprogramm für das kommende Jahr aufnehmen werde, und bestand auf der Notwendigkeit, eine paneuropäische Kommunikation zu ermöglichen und „Funklöcher“ zu schließen.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 27-10-2015