Der Minister Nicolas Schmit, der für die Zeit des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes mit den Beziehungen zum Europäischen Parlament betraut ist, sprach am 7. Oktober 2015 vor der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg. Er sprach im Namen der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, im Laufe einer Debatte über die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei.
Die EU könne die „bestehenden Unruhen im Nahen Osten“ nur in Zusammenarbeit mit ihren Partnern, insbesondere mit der Türkei, angehen, erklärte Nicolas Schmit
Vor den Europa-Abgeordneten betonte Nicolas Schmit, dass die EU „die bestehenden Unruhen im Nahen Osten", vor allem die Krise in Syrien, die Präsenz des Islamischen Staats im Irak, die menschlichen Tragödien im Mittelmeer und die terroristischen Bedrohungen nur in Zusammenarbeit mit seinen Partnern, insbesondere mit der Türkei, „einem strategischen Partner für Europa“, angehen könne. „Wir teilen zahlreiche gemeinsame Interessen mit der Türkei, angefangen mit dem Wichtigsten – dem Frieden und der Stabilität in unseren jeweiligen Regionen“, so der Minister.
Aus diesem Grund habe die EU entschieden, „ihr Engagement gegenüber der Türkei zu verstärken und zu vertiefen“ erklärte der Minister. Nach Meinung von Nicolas Schmit liege der Dialog, der auf höchster Ebene zwischen der EU und der Türkei geführt werde, angesichts der Konfrontation mit „denselben regionalen Herausforderungen“ im Interesse der beiden Partner.
„Die Lage in Syrien und im Irak hat zu einer Verstärkung unserer Zusammenarbeit in Fragen der Außenpolitik und im Kampf gegen den Terrorismus geführt“, erklärte Nicolas Schmit. Er verwies auf die Bemühungen der Türkei zur Aufnahme von mehr als 2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, was seiner Meinung nach „die Bewunderung, die Unterstützung und die Solidarität der EU“ verdiene. „Die Herausforderungen, welchen wir nun aufgrund der Flüchtlingskrise gegenüberstehen, haben gezeigt, dass unsere Zusammenarbeit in Sachen Migration und Grenzschutz verstärkt werden muss“, fuhr Nicolas Schmit weiter fort. Diese Zusammenarbeit müsste seiner Meinung nach den Dialog mit Ankara verstärken, um eine Visa-Liberalisierung zu erreichen.
„Wir müssen ebenso die operative Zusammenarbeit mehr ausbauen, um den illegalen Migrationsströmen in der Ägäis und dem Mittelmeer vorzubeugen und um gegen Schlepper-Netzwerke zu vorzugehen“, fuhr Nicolas Schmit fort.
Das Treffen am 5. Oktober 2015 zwischen dem Ministerpräsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, erfolgte in diesem Zusammenhang. Jean-Claude Juncker hatte Recep Tayyip Erdoğan einen Entwurf für einen Aktionsplan vorgelegt, um die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei zur Unterstützung von Flüchtlingen und zur Steuerung der Migrationsströme zu intensivieren. „Dieser Entwurf eines Aktionsplans steht augenblicklich gerade zur Debatte, um eine Einigung über die Einzelheiten zu erzielen“, erklärte Nicolas Schmit.
„Die Türkei ist ein Kandidatenland für eine EU-Mitgliedschaft, aber auch gleichzeitig ein strategischer Partner der EU in der Region.“
„Aber unsere Herausforderungen mit der Türkei gehen über diese Aspekte hinaus“, fuhr Nicolas Schmit fort. In seinen Augen würde ein verstärkter politischer Dialog zwischen der Türkei und der EU neben den Beitrittsverhandlungen die gemeinsame Behandlung wesentlicher Fragen von gegenseitigem Interesse ermöglichen. „Die Türkei ist ein Kandidatenland für eine EU-Mitgliedschaft, aber auch gleichzeitig ein strategischer Partner der EU in der Region“, betonte der Minister, bevor er die EU dazu aufrief, den Schwerpunkt ihrer Arbeit mit der Türkei auf diese beiden parallelen Dimensionen zu legen.
Was die politische Situation innerhalb der Türkei angeht, brachte Nicolas Schmit seine Besorgnis gegenüber „der Eskalation der Gewalt in der Türkei“ und „den anhaltenden Terroranschlägen“ zum Ausdruck. „Die von der Regierung verabschiedeten Maßnahmen müssen angemessen und gezielt sein und dürfen den demokratischen Dialog nicht gefährden“, betonte er. Er betonte ebenso die Bedeutung des Friedensprozesses mit den Kurden, bevor er seinen Wunsch zum Ausdruck brachte, dass die Türkei es schaffen möge, nach dem Abschluss der Parlamentswahlen am 1. November 2015 eine neue Regierung zu bilden. Schließlich appellierte er an die Türkei, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stärken, damit sie „ihr starkes Engagement“ für den EU-Beitrittsprozess unter Beweis stelle.
In Bezug auf die Zypernfrage vertrat der Minister die Ansicht, dass „die Voraussetzungen zum Erreichen einer positiven Lösung gegeben“ seien.
Nicolas Schmit betonte am Ende seiner Rede, dass die EU und die Türkei „einander brauchen“. „Wir sind nicht immer einer Meinung; deshalb müssen wir unseren Austausch vertiefen, um gemeinsame Handlungslinien und einen gemeinsamen Rahmen für unsere bedeutende Partnerschaft zu entwickeln“, sagte Nicolas Schmit.
Im Verlauf der anschließenden Debatte betonten die wichtigsten Fraktionen ohne Ausnahme, dass die Zusammenarbeit mit der Türkei verstärkt werden müsse, um die Steuerung der Migrationsströme in den Griff zu bekommen. Einige Fraktionen brachten dennoch ihre Besorgnis über die Nicht-Achtung der Werte der Demokratie in der Türkei zum Ausdruck, wobei sie auf das Minderheitenrecht, die Menschenrechte und die Pressefreiheit verwiesen. Aus diesem Grund vertrat der deutsche Europa-Abgeordnete, Alexander Graf Lambsdorff (ALDE), die Auffassung, dass die Türkei nicht als EU-Beitrittskandidat angesehen werden dürfe, sondern dass sie vielmehr „einen strategischen Partner“ darstelle, mit dem es auf „pragmatische“ Art und Weise zu kooperieren gelte.
In seiner Antwort wiederholte Nicolas Schmit, wie wichtig es sei, mit der Türkei zusammenzuarbeiten, da „unsere gemeinsamen Interessen und Herausforderungen, wie die Außenpolitik, unsere Handelsbeziehungen, unsere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus, unsere Zusammenarbeit in der Mobilität und der Migration und unser Dialog über Energiefragen stetig wachsen“. In seinen Augen müsse die EU „ihre Rolle übernehmen“.
„Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es entscheidend ist, sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen in offenen und geduldigen Gesprächen mit der Türkei für die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte einzusetzen“, ergänzte Nicolas Schmit. Das beste Mittel für ein konstruktives Engagement mit der Türkei in diesen Fragen würde seiner Meinung nach darin bestehen, „neue Kapitel zu eröffnen und der Türkei einen klaren Fahrplan für Reformen zu liefern, die europäischen Normen entsprechen“.