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Camille Gira, der von der Fachkommission ENVE des Ausschusses der Regionen eingeladen war, verteidigt die Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bezüglich ihrer Bewertung im REFIT-Programm

Am 28. September 2015 war der luxemburgische Staatssekretär für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur, Camille Gira, von der Fachkommission für Umwelt, Klimawandel und Energie (ENVE) des Ausschusses der Regionen zur Teilnahme an einer Podiumsdiskussion über den „Fitness-Check" der Vogelschutzrichtlinie und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eingeladen, der von der Europäischen Kommission derzeit im Rahmen des sogenannten „Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung" (REFIT) vorgenommen wird. Diese Podiumsdiskussion erfolgte in einer Zeit, in der der Europäische Ausschuss der Regionen eine Stellungnahme über den „Fitness-Check" dieser beiden Richtlinien erarbeitet. Berichterstatter ist Roby Biwer. Nach Meinung von Camille Gira sei eine Infragestellung der beiden Richtlinien im Rahmen des REFIT-Programms eine „verheerende politische Botschaft“ und ein „Zeichen der Kapitulation“.

Laut Roby Biwer muss der Fitness-Check zu einer Stärkung der Umsetzung der Richtlinien dienen

In seinem Entwurf einer Stellungnahme brachte Roby Biwer seine Besorgnis angesichts des ungünstigen Erhaltungszustands der überwiegenden Mehrheit der Arten und Lebensraumtypen zum Ausdruck und zeigte sich darüber beunruhigt, dass ein großer Teil von weiteren Verlusten bedroht sei. Seiner Meinung nach habe sich ihr Zustand in den Natura-2000-Gebieten dennoch deutlich verbessert.

In seinen Augen können die aufgezeigten Mängel und die beunruhigenden Erhaltungszustände vieler Arten und Lebensraumtypen nicht einer mangelnden Effektivität der Naturschutzrichtlinien zugeschrieben werden. Wie in dem Entwurf der Stellungnahme zu lesen ist, hätten sich diese Richtlinien „selbst als sehr effektive Instrumente für den Schutz der Biodiversität erwiesen“.

Er hielt es im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Naturschutzrichtlinien für „problematisch“, dass „andere sektorale Politikbereiche der Europäischen Union wie etwa die Gemeinsame Agrarpolitik, die Gemeinsame Fischereipolitik oder Energie- und Transportpolitik immer noch unzureichend zum Erhalt der Biodiversität beitragen.“

Der Berichterstatter empfahl der Europäischen Kommission, die Naturschutzrichtlinien nicht zu ändern bzw. zu revidieren, sondern das Verfahren des Fitness-Check vielmehr zu nutzen, um Ansätze im Hinblick auf eine noch bessere Umsetzung dieser Richtlinien durch die Mitgliedstaaten, lokalen und regionalen Behörden zu fördern.

Camille Gira ist der Meinung, dass die Vogelschutz-Richtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie effektiv sind, Ergebnisse zeitigen und zweckgemäß sind

Camille Gira signalisierte vor dem Ausschuss der Regionen, dass die Lage der Umwelt in Europa „alarmierend“ sei. Er bezog sich auf in verschiedenen Studien veröffentlichte Daten, wie z. B. in der Studie zum „Erhaltungszustand der Natur“, in dem Bericht über den Zustand der Natur der Europäischen Umweltagentur und in dem von BirdLife Europe veröffentlichten Halbzeitbericht über die Biodiversitätsstrategie für 2020. Alle diese Dokumente unterstrichen die Notwendigkeit, dass wir „unsere Anstrengungen verdoppeln müssen“.

Der Staatssekretär vertrat die Meinung, dass der bisherige Fortschritt bei den Richtlinien zwar „langsam“ gewesen sei, dass sie aber dennoch effektiv seien, dass sie Ergebnisse zeitigen werden und zweckgemäß seien. „Die Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind fortan die Ecksteine des EU-Umweltschutzes. Sie sind ein Vorbild für die gemeinsame Gesetzgebung, die den Ruf der EU aufwertet“, so der Staatssekretär.

Aus seiner Sicht bieten die Richtlinien den Unternehmen Rechtssicherheit und verhindern Umwelt-Dumping auf europäischer Ebene. Diese Richtlinien ermöglichen den Schutz von Arten und ihrer Habitate „auf eine Art und Weise, die im Rahmen der nationalen Politik nicht möglich wäre“, betonte Camille Gira.

Camille Gira stellte heraus, dass das wahre Potenzial der Richtlinien erst im Laufe der Zeit quantifizierbar sei, weil bei den Bio-Systemen ein Zeitraum zwischen Umsetzung und Ergebnissen zu berücksichtigen sei. „Es wäre ein enormer Fehler, zu verhindern, dass diese positiven Effekte zum Tragen kommen“, warnte der Staatssekretär.

Aus Sicht von Camille Gira können diese „Naturschutz“-Richtlinien ihr wahres Potenzial nicht entfalten

Camille Gira vertrat den Standpunkt, dass die Richtlinien „ihr wahres Potenzial nicht entfalten können“, und dies aufgrund ihrer unzureichenden Umsetzung und Anwendung, aber auch aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel.

„Die sektorübergreifende Integration und die Einbeziehung der Biodiversität in andere Schlüsselsektoren bringt noch enorme Probleme mit sich“, stellte er mit Bedauern fest. „Insbesondere die Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) schöpfen die Synergien mit den Naturschutzrichtlinien nicht in vollem Umfang aus“, so der Staatssekretär, der für eine „Revision der GAP“ plädierte.  „Wir müssen die Richtlinien stärken und von nicht gezielten, wenig effektiven Zahlungen zu gezielteren Zahlungen übergehen“, erklärte Camille Gira. Eine Neuorientierung der GAP hin zu einer nachhaltigen Entwicklung sei seines Erachtens wesentlich, wenn die EU ihr Ziel „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ erreichen wolle (Name der langfristigen Vision der EU für 2050 im Rahmen des allgemeinen Umweltaktionsprogramms der Union für die Zeit bis 2020, Anm. d. Red.).

Camille Gira ist der Meinung, dass der Augenblick der Bewertung „schlecht gewählt“ wurde

Wenngleich ein „Fitness-Check“ als solcher eine gute Übung sein könne, um die Effektivität jeglicher Richtlinie zu bewerten, so sei der Augenblick der Bewertung nach Ansicht von Camille Gira „schlecht gewählt“. Aus seiner Sicht sei eine Infragestellung der Richtlinien im Rahmen des REFIT-Programms vor 2020 eine „verheerende politische Botschaft“ und ein „Zeichen der Kapitulation“ − und das nicht nur für die EU-Biodiversitätsstrategie, sondern auch für andere Verpflichtungen auf europäischer und auf globaler Ebene. So stellte er sich die Frage, wie die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie erreicht werden können, wenn man die Effektivität der Richtlinien bewerte, die gerade die wesentlichen Instrumente sind, um diese Ziele zu erreichen.

Der Staatssekretär kündigte an, dass der luxemburgische Ratsvorsitz beabsichtige, bei der Halbzeitbewertung der EU-Biodiversitätsstrategie für die Zeit bis 2020 über die erzielten Fortschritte nachzudenken. Diese Strategie sei von vorrangiger Bedeutung, denn sie trage seiner Meinung nach dazu bei, auch andere Verpflichtungen zu erfüllen, wie etwa das allgemeine Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 (7. UAP), die globale Biodiversitätsstrategie oder auch die am 27. September 2015 auf dem Gipfel der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung in New York verabschiedete 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung, in die insbesondere Biodiversitätsziele einbezogen wurden. „Biodiversität und Natur sind wichtig, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen und um sich den Folgen des Klimawandels zu stellen“, vertrat Camille Gira.

Während der Staatssekretär daran erinnerte, dass es der EU nicht gelungen sei, das von ihr gesetzte Ziel der Eindämmung des Verlusts der Biodiversität bis 2010 zu erfüllen, wies er gleichzeitig darauf hin, dass seitdem dennoch eine Reihe von Fortschritten erzielt worden seien und dass es nach wie vor durchaus möglich sei, diese Ziele zu erreichen. „Die Halbzeitbewertung kann es uns ermöglichen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um im Hinblick auf eine Erreichung unserer Biodiversitätsziele wieder auf den rechten Weg gelangen“, erklärte er abschließend.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 28-09-2015