Am 21. September 2015 fand in Luxemburg der Tag des Wettbewerbs und der Verbraucher statt. Diese Konferenz wurde im Rahmen des luxemburgischen Ratsvorsitzes veranstaltet. Die Konferenz befasste sich schwerpunktmäßig mit den Prioritäten der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, die am 6. Mai 2015 von der europäischen Kommission vorgestellt wurde, und als Redner waren Vertreter der Kommission, des europäischen Parlaments, der nationalen Wettbewerbsbehörden und Verwaltungen, der Geschäftswelt und Verbraucherorganisationen eingeladen. Im Mittelpunkt der ersten Debatte unter Experten standen das Geoblocking und ein verbesserter Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen für Verbraucher und Unternehmen.
Nach Meinung des luxemburgischen Wirtschaftsministers, Etienne Schneider, liege der digitale Markt in seiner gegenwärtigen Form „unter seinen Kapazitäten“. Der Minister plädierte für eine Beseitigung der Hindernisse und Beschränkungen im Binnenmarkt und rief zum Aufbau eines echten „europäischen Marktes“ auf, mit dem Ziel, dem „Patchwork der nationalen Märkte in Europa, durch das kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und die Verbraucher benachteiligt sind“, ein Ende zu setzen.
Etienne Schneider erinnerte zudem daran, dass nur 15 % der Verbraucher ihre Online-Einkäufe in einem anderen Land der EU als ihrem Wohnsitzland tätigten und dass nur 7 % der KMU im Ausland verkauften. Außerdem sei eine zunehmende Diskrepanz zwischen der durch Angebot und Nachfrage bestimmten Marktrealität einerseits und den regulatorischen Rahmenbedingungen, die sich an diese Veränderungen nur schwer anpassen, andererseits entstanden. „Es kommt darauf an, die Risiken, denen wir uns in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit und das ungenutzte Potenzial von Arbeitsplätzen stellen, zu reduzieren, wenn nicht gar zu beseitigen“, erklärte er weiter, wobei er gleichzeitig daran erinnerte, dass die Schaffung eines echten digitalen Binnenmarktes laut Kommission im Laufe des Mandats der nächsten Kommission mit 250 Milliarden Euro zur Wirtschaftsleistung in Europa beitragen könnte.
Die besondere Situation Luxemburgs
Der Vorsitzende des luxemburgischen Wettbewerbsrats, Pierre Rauchs, erinnerte daran, dass seit der Einführung des europäischen Binnenmarkts im Jahr 1992 zwar weitreichende Fortschritte erzielt worden seien, aber dennoch weitere Hindernisse bestehen, so insbesondere im Bereich des e-Handels, und das vor allem in kleinen Ländern wie Luxemburg. Die Verbraucher sähen sich mit Standortklauseln konfrontiert, die sie am Zugriff auf Online-Inhalte aus anderen Ländern hinderten; ebenso blieben ihnen Produkte verwehrt, die nicht nach Luxemburg importiert werden könnten, wenn der Händler keine tatsächliche Verkaufsstelle im Land habe; sie könnten mitunter keine Transaktionen mit einer luxemburgischen Kreditkarte vornehmen oder seien aufgrund der einfachen Tatsache, dass sie ihren Wohnsitz im Großherzogtum haben, höheren Preisen ausgesetzt, erklärte der Redner.
Die Rolle der Wettbewerbspolitik
Johannes Laitenberger, Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der europäischen Kommission, sprach von der Rolle der Wettbewerbspolitik bei der Einrichtung des digitalen Binnenmarkts. Einerseits bekämpfe die europäische Kommission die vertikalen Beschränkungen zwischen den Unternehmen, die den reibungslosen e-Handel behindern und die mitunter auch ein Risiko der Fragmentierung des digitalen Binnenmarkts mit sich bringen würden, erklärte Laitenberger. Andererseits habe die Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, im März 2015 eine Untersuchung über die wettbewerbsbeschränkenden Praktiken auf dem Sektor des Online-Handels innerhalb der EU eingeleitet, fügte er hinzu.
Laut Aussagen des Redners seien weniger als die Hälfte aller versuchten Einkäufe über ausländische Websites erfolgreich, während die Erfolgsrate bei Einkäufen über nationale Websites bei 97 % liege. „Wir wollen uns über das Ausmaß dieser Hindernisse und deren Auswirkungen bewusst werden“, erklärte er zum Abschluss seines Beitrags.
Geoblocking: Resultat der Hindernisse im Binnenmarkt für Verbraucher und Unternehmen?
Im Anschluss daran führten verschiedene Experten eine Debatte über das Geoblocking. Aus der Sicht von Lucilla Sioli, Referatsleiterin der GD Connect der europäischen Kommission, seien die europäischen Unternehmen im Vergleich zu amerikanischen Unternehmen in ihrer Art und Weise der Einbeziehung digitaler Technologien beschränkt. Daher ziele eine der vier Säulen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt auf den e-Handel als Wachstumsfaktor ab. Die Rednerin rief Unternehmen außerdem dazu auf, keine künstlichen Schranken aufzubauen.
„Das Geoblocking steht im Widerspruch zu den Prinzipien des Binnenmarkts“, erklärte sie. Die größte Herausforderung des digitalen Binnenmarkts liege ihrer Meinung nach darin, alle bestehenden Regeln und Instrumente für den Digitalsektor zur Anwendung zu bringen. In diesem Sinne nannte sie als Beispiel den Artikel 20 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, gemäß der die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes in Bezug auf den Zugang zu einer Dienstleistung innerhalb der EU verboten sei.
Laut Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin des europäischen Verbraucherverbands (BEUC), gebe es vier Instrumente, um das Problem des Geoblocking zu bekämpfen: Artikel 20 der vorgenannten Richtlinie 2006/123/EG, den rechtlichen Rahmen auf dem Gebiet der Urheberrechte, das Wettbewerbsrecht und schließlich auch eine bessere Aufklärung der Verbraucher über das Geoblocking. Ihrer Meinung nach sei ein Wandel der Grundprinzipien und der Geisteshaltung notwendig.
Guido Lobrano, stellvertretender Direktor von BUSINESSEUROPE, behandelte die Frage aus der Sicht der europäischen Unternehmen. Aus seiner Sicht würden die Unternehmen nicht bewusst diskriminieren, sondern sie hätten, im Gegenteil, keine andere Wahl. „Das Geoblocking ist die Folge von Störungen in den Funktionsweisen des Binnenmarkts“, erklärte er. Diese Funktionsstörungen könnten aus einer mangelnden Harmonisierung auf europäischer Ebene, aus unterschiedlichen Auslegungen der europäischen Gesetzgebung durch die einzelnen Mitgliedstaaten, aus unterschiedlichen Marktbedingungen, aus unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen je nach Mitgliedstaat, aus verschiedenen Währungen in den Nicht-Mitgliedsländern der Eurozone oder auch aus den Regeln des Urheberrechts, nach denen ein Verkauf in bestimmten Ländern rechtswidrig sei, resultieren. Seiner Meinung nach „müsste ein Binnenmarkt, in dem das Geoblocking keine Notwendigkeit ist, unsere Zielsetzung sein.“
Schließlich unterstrich Jacques Steenbergen, Präsident der belgischen Wettbewerbsbehörde, dass das Geoblocking mit dem Aufschwung des e-Handels eine neue Dimension angenommen habe. Aus seiner Sicht sei es schwierig, einen gemeinsamen Markt zu organisieren, und von diesen Schwierigkeiten seien die Unternehmen wie die Verbraucher oder diejenigen, die reglementieren, gleichermaßen betroffen. Daher sei eine kohärente Entscheidungsfindung notwendig, so der Redner, der dazu aufrief, eine Betrachtung nach Einzelfällen zu vermeiden, denn dies würde ein Risiko von Störungen im Binnenmarkt mit sich bringen. Da die Mehrheit der Akteure auf dem Markt kleine und mittlere Unternehmen seien, sei es im Übrigen auch notwendig, klare und einfache Regeln zu bestimmen.