Wirtschaft und Finanzen
Informelles Ministertreffen

Informeller Ecofin-Rat – Die Vertiefung der WWU und die Überbrückungsfinanzierung des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds auf der Tagesordnung der Minister

ecofin-cdp2-1209Die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister trafen sich am 12. September 2015 zum zweiten Tag ihres informellen Ministertreffens in Luxemburg. Diese neue Sitzung sollte der Vertiefung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sowie der Frage der Überbrückungsfinanzierung („bridge financing“) des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds (SRF für „Single resolution fund“) gewidmet sein.

Die Vertiefung der WWU

Während der Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen konzentrierte sich Pierre Gramegna, Finanzminister und amtierender Vorsitzender des Ecofin-Rates, auf die Vertiefung der WWU im Kontext des sogenannten Fünf-Präsidenten-Berichts. Wenngleich „alle den Bericht begrüßten“, so konzentrierte sich die Debatte auf die erste vom Dokument vorgesehene Phase und behandelte fünf Hauptpunkte, gab der Minister an. Zur Erinnerung: Dieser Bericht fordert dazu auf, in mehreren Bereichen Maßnahmen zu ergreifen und diese schrittweise umzusetzen. 

Die erste Stufe, die im Juli 2015 beginnen sollte, hat das Ziel, die WWU widerstandsfähiger zu machen, indem sie sich auf bereits existierende Instrumente stützt und sich die gültigen Verträge bestmöglich zunutze macht; es handelt sich um eine „Vertiefung durch Handeln“.  Im Laufe der zweiten Stufe (die sog. „Vollendung der WWU“), sollen umfassende Aktionen durchgeführt werden, um den Konvergenzprozess zwingender zu machen, z. B. durch eine Gesamtheit an gemeinsam festgelegten Konvergenzkriterien, die eventuell juristischen Charakter annehmen könnten, sowie durch ein Schatzamt der Eurozone. Ziel ist es, bis Ende 2025 die Endstufe - eine wahre und vertiefte WWU - zu erreichen.

Die Diskussionen der Minister behandelten zunächst die „Langzeitaspekte des Berichts“. Daher „muss man verstehen und beschreiben können, worin das Endziel der WWU bis 2025 besteht; mit anderen Worten, man muss eine Vision haben“, so Pierre Gramegna. „Diese Vision geht über die monetären und wirtschaftlichen Aspekte hinaus, denn sie wird früher oder später in Form von Wachstum, Beschäftigung und sozialer Absicherung zum Ausdruck kommen“, fügte er hinzu. Nach Ansicht von Pierre Gramegna „können wir unseren Mitbürgern nur auf diese Weise erklären, dass wir uns nicht mit einem abstrakten finanziellen und wirtschaftlichen Aspekt befassen, sondern wirklich mit dem wahren Kern der Rahmenbedingungen, die zu Wachstum führen werden“. Der Minister betonte außerdem die Notwendigkeit, „dies auf bessere Art und Weise verständlich zu machen“, um „mehr öffentliche Unterstützung und Legitimität“ und somit auch „mehr Demokratie“ zu haben.

An zweiter Stelle konzentrierten sich die Minister auf die „Notwendigkeit, das umzusetzen, was bereits existiert“. „Die Umsetzung ist nötig, um ein „level playing field“ zu haben, um die Zustimmung aller Anspruchsgruppen zu gewinnen und einen vereinfachten Rahmen auszuarbeiten“, so Pierre Gramegna.

Der dritte Punkt, der von den Ministern angesprochen wurde, betraf die „kurzfristigen Fortschritte“, die zwar keine Änderung des Vertrags erfordern, aber „legislative Veränderungen bei den Richtlinien oder ihrer Auslegung“ mit sich bringen könnten, erklärte der Minister. „Es gibt einen breiten Konsens über die Tatsache, dass wir die Eurozone noch weiter vertiefen können. Das bedeutet, noch mehr Risiken zu teilen, wenn wir parallel dazu die Risiken für das System reduzieren“, so Pierre Gramegna. „Die Risiken teilen, indem man sie vergemeinschaftet, ist möglich, aber jeder muss seinen Teil an Verantwortung übernehmen und die Gefahren für das System reduzieren“, fügte er weiter hinzu und erklärte, dass dies im Rahmen der Bankenunion, in der Union der Kapitalmärkte und mit Instrumenten erfolgen könne, „die uns bereits zur Verfügung stehen, und die erleichtert oder vereinfacht werden müssen, wie das two pack, das six pack oder das Verfahren bei makroökonomischem Ungleichgewicht“.

Valdis Dombrovskis, Vize-Präsident der EU-Kommission mit Zuständigkeit für den Euro und den sozialen Dialog, betonte außerdem, dass die Diskussion es ermöglicht habe, klar herauszustellen, dass die Notwendigkeit der Gewährleistung eines guten Gleichgewichts zwischen Verantwortung und Solidarität „der Schlüssel zum Erfolg“ sein würde. Im Übrigen gehe es bezüglich der Wirtschaft darum, den Schwerpunkt auf die Produktivität zu legen, gab Pierre Gramegna an. „Das wird eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in den Ländern der Eurozone, und damit auch die des Wachstums ermöglichen“, schloss der Minister.

Der weitere Verlauf der Debatte betraf die Art und Weise, mit der noch mehr Legitimität und Zustimmung bei den Bürgern  erlangt werden können. Diesbezüglich nannte Pierre Gramegna eine bessere Einbeziehung der nationalen Parlamente, der Sozialpartner sowie eine Aufwertung der Rolle des Europa-Parlaments.

Schließlich gab es einen Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten der Eurozone und den Nicht-Mitgliedern, wobei der Minister die Notwendigkeit unterstrich, „den Dialog zwischen den 28 und den 19 Mitgliedstaaten der Eurozone zu verbessern“. „Damit dieser Dialog besser strukturiert ist, müssen die Diskussionen offen und transparent sein“, so Pierre Gramegna. „Wir müssen sichergehen, dass es Optionen für diejenigen Länder gibt, die an bestimmten Aspekten teilnehmen möchten, und auch, dass die Integrität des Binnenmarktes gewahrt bleibt, denn das ist ein Projekt, das wir zu 28 tragen, und das ist eine wertvolle Errungenschaft der EU“, fügte er hinzu. Der Minister stellte auch fest, dass die Diskussion nicht den operationellen Teil der Verstärkung dieses Dialogs betraf, sondern vielmehr die Prinzipien. Es gehe darum, dafür zu sorgen, dass alle Themen, die Einfluss auf die 28 Mitgliedstaaten haben, angesprochen werden können, die Transparenz der Debatten zu gewährleisten, um zu bestimmen, ob die Entscheidungen einen Einfluss haben oder nicht, und darum, eine Form von „Schadensminderung“ (harm mitigation im Text) zu garantieren. „Es wurde das Wort ‘Schaden’ benutzt, und die Diskussion ist eröffnet, um zu bestimmen, ob es wirklich Schäden für die Nicht-Mitgliedstaaten der Eurozone gibt“, so Pierre Gramegna.

Valdis Dombrovskis gab hingegen an, dass es gelte, Letzteren gegenüber „Offenheit und Transparenz“ zu gewährleisten. „Dazu sind wir verpflichtet, und die Tatsache, diese Diskussion beim Ecofin-Rat und nicht in der Eurogruppe zu organisieren, ist ein gutes Zeichen für diese Absicht“, fügte er hinzu.

Was die Methode betrifft, so betonte Pierre Gramegna, dass es „einer guten Sequenzierung der Arbeit“ bedürfe. „Wir müssen einen effizienten Terminplan haben, der zeigt, in welchem Rhythmus wir die Solidarität und die Verantwortung jedes Partners einerseits verbessern, damit wir andererseits noch mehr Risikoaufteilung haben“, gab er an und fügte hinzu, der Rat habe die Kommission um die Ausarbeitung eines Zeitplans gebeten. Der Kommissar hingegen deutete darauf hin, dass die Kommission gegen Mitte Oktober 2015 ein erstes Paket vorlegen werde, „das die allgemeinen Vorschläge herausstellt“.

Überbrückungsfinanzierung des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds

Bezüglich des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds (SRF), der die Finanzierung der angeordneten Abwicklung einer schwachen Bank zur Aufgabe hat, debattierten die Minister über die Brückenfinanzierung, durch die der Fond während der Phase seines schrittweisen Aufbaus ausreichend ausgestattet sein soll, stellte Valdis Dombrovskis fest.

Nur zur Erinnerung: Der SRF gehört zum Teil „Abwicklung“ der Bankenunion und muss ab Januar 2016 schrittweise aufgebaut werden. Der Fonds wird durch die bei der Bankenindustrie eingezogenen Nationalbeiträge der Mitgliedstaaten gespeist, und er wird nach und nach vergemeinschaftet werden. Sein Kapital soll bis 2023 etwa 55 Milliarden Euro betragen.

Diesbezüglich betonte der Kommissar, dass der SRF von Anfang an „glaubwürdig in Bezug auf die verfügbaren finanziellen Mittel“ sein muss. „Wenn die Finanzierung nach und nach von der Industrie gewährleistet werden muss, dann muss eine Zwischenfinanzierung sichergestellt werden“, so der Kommissar.

Im weiteren Sinne zum Thema der Bankenunion betonte der Kommissar auch deutlich die Notwendigkeit, sich auf die vollständige Umsetzung der existierenden Regeln zu konzentrieren, darunter die Umsetzung der BRRD-Richtlinie (über die Bankenabwicklung) in allen Mitgliedstaaten.

Außerdem diskutierten die Minister über das Einlagensicherungssystem auf EU-Ebene. Während mehrere Mitgliedstaaten kein „vollständig operationelles“ nationales System in dieser Sache haben, schlägt die Kommission einen Ansatz in zwei Phasen vor, wobei die erste Phase zunächst, von den nationalen Systemen ausgehend, die Entwicklung eines Rückversicherungssystems vorsieht, bevor in einer zweiten Phase ein europäisches System vorgeschlagen wird.

Von der Presse zu den Vorbehalten befragt, die Deutschland zu einem solchen System auf EU-Ebene geäußert haben soll, wies Pierre Gramegna darauf hin, dass die Mitgliedstaaten für den Weg hin zu einem solchen System bereit seien, dass „dies jedoch in einer Abfolge betrachtet werden müsse“. „Die Frage ist, wann die Verteilung der Risiken kommen wird; zäumen wir also das Pferd nicht am Schwanz auf. Wenn wir sehen, dass wir bei der Umsetzung [der Entscheidungen] sowie der Verantwortung aller Fortschritte machen, dann ist es Zeit, über dieses System zu sprechen“, so Gramegna.

  • Letzte Änderung dieser Seite am 12-09-2015